Bundeswertpapiere:Einfach Schluss gemacht

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Längst außer Dienst: Mit der Schildkröte (hier vor der Börse in Frankfurt) warb die Finanzagentur des Bundes einst für ihre Bundeswertpapiere. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Viele Anleger steckten einst Erspartes in Bundesschatzbriefe und in die staatliche Tagesanleihe. So kam der Staat an Geld, und die Bürger erhielten schöne Zinsen. Doch nun setzt der Bund die Privatanleger vor die Tür.

Von Thomas Öchsner, München

Es war eine wirklich sichere Sache und so beliebt, dass die Bundesbürger irgendwann fast liebevoll von ihren "Schätzchen" sprachen. Jahrzehntelang verkaufte der Bund Privatanlegern Bundeswertpapiere, darunter die auch als "Schätzchen" bekannten Bundesschatzbriefe. Damit besorgten sich die Finanzminister direkt von den Bürgern Geld und zahlten ihnen dafür Zinsen. Hunderttausende Anleger deckten sich regelmäßig mit den Papieren ein und freuten sich über Zinsen von fünf, sechs oder noch mehr Prozent, von denen Sparer heute nur noch träumen können. Am Dienstag, zum Ende des Jahres, ist damit endgültig Schluss. Der Bund verabschiedet sich aus dem Anlagegeschäft mit Privatkunden.

1969 gab es erstmals die Bundesschatzbriefe, in zwei Varianten. Typ A hatte eine Laufzeit von sechs Jahren mit steigender Verzinsung, Typ B über sieben Jahre, dabei wurden die Zinsen angesammelt - oft sparten so Eltern oder Großeltern für Kinder oder Enkel. Nun, 50 Jahre später, stellt der Bund zum Jahresende auch die Tagesanleihe ein, das letzte Produkt speziell für private Kunden. Und damit stirbt auch ein Stück alte Bundesrepublik.

Die Tagesanleihe, die wie ein Tagesgeldkonto funktioniert, warf zwar seit Anfang Oktober 2014 keine Zinsen mehr ab. Aber diese täglich verfügbaren Einlagen beim Bund galten gerade in Krisenzeiten als absolut sicher. Auch garantierte der Bund in Zeiten von Negativzinsen: "Der Tageszins fällt nie unter null Prozent." Außerdem zahlten Anleger, die die Tagesanleihe in den gebührenfreien Wertpapierdepots der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur verwahren ließen, keine Depotgebühr. Fast 800 Millionen Euro parkten Sparer deshalb noch Ende November 2019 auf diesen sogenannten Schuldbuchkonten. Doch auch ihnen sagt die Finanzagentur jetzt lapidar "Tschüss".

Dem Staat sind in Zeiten von Negativzinsen die Sparer schlichtweg zu teuer geworden

Schon 2012 wurden die letzten Bundesschatzbriefe angeboten. Anfang 2013 schaffte der Bund auch die Möglichkeit ab, Geld in die Tagesanleihe zu stecken. Wer aber bereits darin investiert hatte, durfte die Anleihe behalten - bis jetzt. Zum Jahresende hat die Finanzagentur, wie im März 2019 bereits angekündigt, die einst als unbefristet angepriesene Tagesanleihe kurzerhand gekündigt. Die geparkten Euro auf etwa 22 000 Konten werden deshalb Anfang 2020 an die Anleger zurücküberwiesen.

"Die Finanzagentur hat die Sparer auf einmal sehr schnell loswerden wollen", sagt Udo Keßler. Der Finanzexperte hat einst im Auftrag der Agentur jahrelang die Öffentlichkeitsarbeit für Bundeswertpapiere mitbetreut. Keßler bedauert diesen Rückzug. "Das Bundesfinanzministerium setzt bei der Kreditaufnahme künftig voll und ganz auf Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften. Heimische Sparer sind nicht mehr gefragt", sagt er.

Vor zehn Jahren war das noch anders: Die Nachfrage nach Bundeswertpapieren überdauerte nicht nur die Jahrtausendwende und die Einführung des Euro. In der aufkommenden Finanzkrise, im Jahr 2008, schuf der Bund sogar eine neue Werbefigur, eine Schildkröte namens "Günther Schild", die um Sparer werben sollte. Als dann im September 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers pleiteging, wurde die Tagesanleihe noch beliebter. Das Misstrauen gegenüber den Banken wuchs, da schienen Ersparnisse beim Bund gut und sicher aufgehoben zu sein. So verwaltete die Finanzagentur Ende 2008 mehr als 400 000 Konten.

Nun, ein gutes Jahrzehnt später, kann man davon ausgehen, dass dem Bund die Privatanleger schlichtweg zu teuer geworden sind. Keine Negativzinsen für die Tagesanleihe zu verlangen kostet Geld, da der relevante Vergleichszins für Tagesgeld unter Banken schon lange negativ ist. So bietet der Bund den betroffenen Sparern auch keinen kostenfreien Umtausch in andere Bundeswertpapiere an. Das ist allerdings auch derzeit wenig attraktiv: Wer sein Geld erneut in sichere Papiere des Bundes investieren und diese bis zum Ende der Laufzeit behalten möchte, macht ein Verlustgeschäft.

Selbst bei börsennotierten Bundeswertpapieren mit einer jährlichen Verzinsung von null Prozent zahlen Anleger beim Kauf von Bundesanleihen oder -obligationen mehr, als sie später bei Fälligkeit zurückbekommen. So bringt zum Beispiel eine Bundesobligation, die 2023 zurückgezahlt wird, derzeit eine Rendite von minus 0,62 Prozent. Hinzu kommen bei den Banken fällige Kauf- und Depotgebühren.

Da sind manche Geldinstitute bei Tages- und Festgeld noch großzügiger. Die Renault-Bank rückt zum Beispiel derzeit noch 0,25 Prozent Zinsen für Bestandskunden für Guthaben auf dem Tagesgeldkonto heraus, Neukunden erhalten 0,45 Prozent, aber nur für drei Monate. Die Kommunalkredit Invest aus Österreich zahlt für ein online geführtes Festgeldkonto bei einem Jahr Laufzeit 0,7 Prozent Zinsen. Angebote vergleichen lassen sich zum Beispiel auf dem Verbraucherportal biallo.de.

Die Höhe der derzeit historisch niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt wird sich aber irgendwann wieder ändern. Nur, was passiert dann mit der Finanzagentur, sollten die Zinsen wieder hoch und für Anleger lukrativer sein? Keßler hält es nach diesem Rückzug für unwahrscheinlich, "dass der Bund heimische Sparer noch einmal so wie früher umgarnen wird".

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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