Bundesligarechte:Die Statik stimmt nicht mehr

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Die Recht für die deutsche Bundesliga werden plötzlich zum Problem: Für die Sender und den Fußball.

Hans-Jürgen Jakobs und Klaus Ott

(SZ vom 13.06.2003) — Es war eine Präsentation voller Stolz und Wohlbehagen. Nach Zürich ins Hotel Baur au Lac hatten der frühere Fußball-Nationalspieler Günter Netzer und seine Finanziers geladen, um eine neue Macht im TV-Rechtemarkt zu klären: die Agentur Infront aus dem Schweizer Örtchen Zug. Alles schien zu passen, immerhin waren hier die Sendelizenzen für die deutsche Fußball-Bundesliga und die Fußball-Weltmeisterschaft vereinigt.

Das war Mitte Dezember 2002. Inzwischen jedoch zeigt das glorreiche Bild Risse, und auch im Gesellschafterkreis gibt es nach Erzählungen von Eingeweihten Risse: Während Adidas-Aktionär Louis-Dreyfuß angeblich für die nächste Bundesliga-Spielzeit einen Verlust von maximal 20 Millionen Euro tolerieren will, ist sein Partner Jacobs aus der einstigen Bremer Kaffeeröster-Dynastie strikt dagegen. Auch vom Ausgang solcher Gespräche hängt das Schicksal der deutschen Profiklubs ab, die gegen den wirtschaftlichen Abstieg kämpfen.

Zocken mit Ausdauer und Raffinesse

Immer deutlicher zeigt sich, dass die Grundstatik nicht mehr stimmt - und dass großzügig eingeplante hohe Erlöse aus der TV-Vermarktung ausbleiben. Von den 290 Millionen Euro, die Infront der Deutschen-Fußball-Bundesliga (DFL) für die nächste Saison garantiert hat, sind höchstens erst zwei Drittel sicher - vor allem durch den Pay-TV-Anbieter Premiere (150 Millionen Euro).

Kein Wunder, dass Netzers Agentur die seit Mitte Mai erforderlichen finanziellen Sicherheiten für den Bundesliga-Deal der DFL bisher nicht geboten hat. Andererseits mussten die Profiklubs am Mittwoch ihre Unterlagen für die Lizenzierung einreichen - die TV-Gelder spielen bei den Planungen die Hauptrolle.

Zum Verdruss von DFL-Manager Wilfried Straub zockt der bisherige Rechtenutzer Sat1 (ran) auch noch mit nie gekannter Ausdauer und Raffinesse. Der kommerziell betriebene Sender hat für seine Fußball-Berichterstattung eine neue Strategie ausgerufen: Live-Spiele sollen zum Ereignis für die ganze Familie hochgejazzt werden.

Deshalb kauften die TV-Strategen nun für etwa 90 Millionen Euro die Rechte an drei Spielzeiten der Champions League. "Das Beste, was uns passieren konnte", hämt zwar RTL-Chef Gerhard Zeiler über den Verlust der Euro-Spitzenliga. Sat1 würde auch auf dem veränderten Kaufpreisniveau Verluste machen.

Allerdings kalkuliert ProSiebenSat.1 Media-Chef Urs Rohner anders: Er glaubt, sich bereits genügend Ware Fußball verschafft zu haben bis zur WM 2006 in Deutschland. Gegenüber den Mächtigen der Bundesliga könne Sat1 jetzt umso härter auftreten.

Vor ein paar Wochen soll Rohner 50 Millionen Euro für die Highlight-Verwertung einer Bundesliga-Spielzeit geboten haben (bisher waren es 85 Millionen Euro). Doch niemand rechnet damit, dass sich die ProsiebenSat.1 Media AG nach dem Champions-League-Deal noch engagiert. Obwohl: Live-Spiele aus der Bundesliga, das klingt durch, würde Rohner kaufen.

Für Ober-Funktionär Straub ist das Ganze recht misslich - schließlich erlösen mit dem neuen Agreement die drei deutschen Top-Klubs in der Champions League viel weniger als in der abgelaufenen Saison. Und dann hat zu allem Überfluss die als möglicher Rechteverwerter der Bundesliga eingeplante ARD (Sportschau) ein paar politische Probleme.

Zusammen mit dem ZDF will die ARD vom Jahr 2005 an eine deutlich höhere Rundfunkgebühr durchsetzen, was er aber argumentativ kaum auf die mit üppigen Gagen verwöhnten Kickern zurückführen dürfte.

Vorsichtshalber ermahnte bereits der nordrhein-westfälische Landeschef Peer Steinbrück (SPD), die ARD dürfe einen Kauf der Bundesliga- nicht mit den WM-Rechten koppeln - also einen günstigen Preis jetzt mit hohen Aufwendungen später bezahlen.

Die ARD bietet angeblich 55 Millionen Euro

Am Donnerstag vergangener Woche weilte Straub zum Tete-a-tete bei ARD-Programmdirektor Günter Struve, ohne Folgen. Nach der Champions-League-Entscheidung erklärt Infront-Mann Netzer, es sei "offensichtlich, dass es nur noch einen Bieter für die Bundesliga gibt. Wir führen seriöse Gespräche mit der ARD".

Angeblich bietet das Erste rund 55 Millionen Euro für den samstäglichen deutschen Spitzenfußball. Womöglich kämen bis zu knapp zehn Millionen vom ZDF dazu, dass über die zwei Sonntagsspiele berichten könnte.

Doch angesichts des politischen Reizklimas rund um die Gebührenfrage gehen viele ARD-Hierarchen derzeit auf Distanz. "Wir dürfen uns nicht in ein Wettbieten mit Sat1 jagen lassen", sagt ein Intendant, "das wäre politischer Selbstmord".

Auch der Vorschlag, Sponsoren wie die Deutsche Telekom könnten zum Teil die Bundesligarechte bezahlen, und dafür prominente Auftritte und Spots rund um die Sportschau erhalten, ist auf Ablehnung gestoßen. Solche Sponsorenerlöse seien bereits in der Kalkulation der ARD enthalten, erklärt der ARD-Vorsitzende Jobst Plog.

Die Öffentlich-Rechtlichen wollen abwarten, bis sich Sat 1 offiziell erklärt. "Es kann nur noch ein paar Wochen dauern", witzelt ein Experte - wohl wissend, dass Ende August die nächste Saison beginnt und bis dahin auch die redaktionell gut ausgestattete ARD ein paar Tage Vorbereitung bräuchte. Und dann müsste ja auch ein Ausgleich für jene 17 Millionen Euro gefunden werden, die ARD und ZDF bisher für Bundesliga-Zweitrechte zahlten.

Offenbar hatte die DFL damit kalkuliert, dass der US-Investor Haim Saban wirklich anstelle der insolventen Firma Kirch Media die Pro-Sieben-Gruppe übernimmt und dann mit einer kraftvollen Strategie den Markt aufräumen will.

Vorstandschef Rohner war bereits als dead man walking in diesen Kreisen gehandelt worden. Die Nachricht vom Ausstieg Sabans und einer Eigenlösung durch vier involvierte Banken muss wie ein Schock gewirkt haben.

Schon wird bei der Rechtefirma Infront diskutiert, die Tochterfirma BuLi GmbH in die Insolvenz zu schicken. Für die Spielzeiten 2004/2005 und 2005/2006 sind sogar jeweils 310 Millionen Euro für die kapitalhungrigen Kicker vorgesehen. Unglaublich.

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