Bundeskartellamt:Andreas gegen Goliath

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Facebook, Booking, Vergleichsportale: Das Bundeskartellamt will weiter gegen die großen Tech-Konzerne vorgehen. Präsident Mundt befürchtet, dass ihre Macht dem Wettbewerb in vielen Bereichen schaden kann.

Von Benedikt Müller, Bonn

Wenn Andreas Mundt, 58, über Internetkonzerne spricht, dann ist er nicht nur Präsident des Bundeskartellamts, sondern auch privat betroffen. "Ein Unternehmen wie Google hat eine 20-jährige Suchhistorie von Andreas Mundt", sagt er. Das Wissen, das Plattformen wie Google oder Facebook anhäufen, bereitet Deutschlands oberstem Wettbewerbshüter auch qua Amt Sorge: davor, dass die Marktmacht der Tech-Konzerne "schleichend in alle Bereiche der Wirtschaft rein krieche", so Mundt. Dass Facebook neuerdings eine eigene Währung namens Libra plant, sei nur ein Beispiel, wie die Plattform Kunden an sich binden wolle. Die Macht der Daten sei "das zentrale Thema der Zeit".

Seine Behörde müsse Märkte für Konkurrenten offenhalten, sagt Mundt. Und einschreiten, falls Konzerne Marktmacht zum Nachteil der Menschen missbrauchen. Langfristig, glaubt der Jurist, müssten Internetkonzerne entweder Konkurrenten Zugang zu ihren Daten gewähren - oder Nutzer müssten ihre Daten zu anderen Plattformen "mitnehmen" dürfen. Oder aber der Staat begrenzt das Sammeln persönlicher Informationen.

Letzteres war der Ansatz, als das Kartellamt im Februar Facebook Auflagen machte. Künftig dürfe der Konzern nur noch dann Daten eigener Dienste wie Whatsapp und Instagram sowie Informationen von anderen Webseiten zu einem persönlichen Profil zusammenführen, wenn der Nutzer dem explizit zugestimmt habe, verordnete das Amt - und drohte mit Zwangsgeldern von bis zu zehn Millionen Euro monatlich.

Doch noch haben Kunden nichts davon: Facebook geht mit einem einstweiligen Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gegen die Auflagen vor. Der Konzern verweist etwa auf die Konkurrenz von Snapchat, Twitter oder Youtube. Der Vollzug verzögere sich daher, bestätigt Mundt. Man tausche derzeit umfangreiche Schriftsätze aus, "weil das schon ein Grundsatzverfahren ist".

Zuweilen scheitert das Amt mit seiner Pionierarbeit auch an den Gerichten. So wollte die Behörde eine "Bestpreisklausel" der Hotelbuchungs-Plattform Booking untersagen, wonach Hotels ihre Zimmer auf eigenen Webseiten nicht billiger anbieten dürfen als bei dem Portal. Doch das OLG Düsseldorf gab Booking recht und ließ keinen Gang vor Deutschlands höchstes Gericht zu. Dagegen habe das Kartellamt nun Beschwerde eingelegt, sagt Mundt: "Wir hoffen, dass wir dieses Verfahren vor dem Bundesgerichtshof behandeln können."

Reichen die Verdachtsmomente indes nicht für ein Missbrauchsverfahren aus, leiten die Kartellwächter vermehrt sogenannte Sektoruntersuchungen ein, in denen sie erste Erkenntnisse sammeln. Derzeit prüft die Behörde etwa, was die Anbieter von sogenannten Smart-TV mit den Daten anstellen, die sie über den Zuschauer sammeln. Und das Kartellamt untersucht, wie anfällig Bewertungsportale im Internet für Fälschungen sind. "Da gab es viele Beschwerden", so Mundt. "Wir wissen, wie wichtig Nutzerbewertungen für Kaufentscheidungen sind."

Dank der allgegenwärtigen Smartphones sammeln Konzerne wie Google massenhaft Daten über deren Nutzer. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Nach einer früheren Sektoruntersuchung zu Vergleichsportalen kam die Behörde zu dem Schluss, dass Kunden dank der Plattformen zwar bessere und günstigere Produkte finden. Dennoch glaube mancher Nutzer zu Unrecht, dass er auf einem Vergleichsportal beispielsweise "die ganze Welt der Versicherungen vor sich" hätte, kritisiert Mundt. Doch bildeten die Plattformen vielmals "allenfalls die Hälfte der Produkte" ab. Darauf müssten die Portale ihre Nutzer wenigstens hinweisen, fordert Mundt. Das Kartellamt könne derlei Missstände zwar benennen, aber bislang nicht per Verfügung abstellen. "Wir würden uns freuen, wenn unsere Befugnisse in diesen Bereichen erweitert würden", sagt Mundt in Richtung des Gesetzgebers.

In ihrem Kerngeschäft, der Kartellverfolgung, hat die Behörde im vergangenen Jahr Bußgelder von 376 Millionen Euro verhängt - gegen Firmen, Verbände und Privatleute. Zudem haben hiesige Unternehmen in 2018 etwa 1300 Zusammenschlüsse zur Kontrolle angemeldet. Auch in diesem Jahr zähle man "viele, viele Fälle". Mundt plädiert dafür, dass der Staat das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) reformieren sollte, dass sich sein Amt eher auf zukunftsweisende Fälle konzentrieren könnte. An dem Willen, sich auch mit Größen der Wirtschaftswelt anzulegen, fehlt es in Bonn jedenfalls nicht.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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