Brüssel legt sich mit Finanzministern an:Hickhack um Bankenhilfe

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Eben erst haben etliche europäische Länder Hilfspakete für ihre Banken geschnürt, da fahren ihnen die Wettbewerbshüter der EU in die Parade. Die Finanzminister sind erbost.

C. Gammelin und M. Hesse

Die EU-Kommission sperrt sich gegen eine allzu großzügige Rettungsaktion für Europas Banken und bringt damit die Finanzminister der Mitgliedsstaaten gegen sich auf. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes fordert von der Bundesregierung, das Hilfspaket für die Commerzbank zu ändern. Berlin lehnt dies ab.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes fordert von Berlin, das Hilfspaket für die Commerzbank zu ändern. Die Bundesregierung lehnt das ab. (Foto: Foto: AP)

Die Brüsseler Wettbewerbshüter erklärten am Dienstag, die Hilfen für die Commerzbank entsprächen nicht EU-Regeln. Die Konditionen für die Bank seien zu günstig. Die EU-Kommission verlangt auch von Frankreich, die Auflagen für die Milliardenhilfen zu verschärfen.

Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte, alle 27 Staaten seien sich darüber einig, dass die Position der EU-Kommission nicht in Einklang mit der Problemlage stehe. "Die Kommission muss Teil der Lösung werden und nicht Teil des Problems."

Kreditvergabe funktioniert noch immer nicht richtig

Steinbrück selber erklärte: "Die Finanzinstitute brauchen Sicherheit, und sie haben bislang diese Sicherheit nicht." "Die Banken müssen durch unbürokratische Prüfungen motiviert werden, unter den Schirm zu kommen", sagte der Minister.

Auch der schwedische Finanzminister Anders Borg griff die Kommission hart an: "Wir müssen diese Legionen von Staatsbeihilfe-Bürokraten zurückrufen", sagte er am Rande des Treffens der EU-Finanzminister in Brüssel. Es bestehe die Gefahr, dass die EU einen großen politischen Fehler begehe.

Statt die staatlichen Hilfen für Banken, die unter den Schutzschirm des Staates flüchten, im Zusammenhang zu prüfen, behandle Kroes jede Bank wie einen Einzelfall, kritisierten mehrere Minister.

In einer Erklärung fordern die EU-Minister koordiniertes und schnelles Handeln, um der Krise zu begegnen. Die Kreditvergabe der Banken untereinander funktioniere trotz der in den Ländern eingeleiteten Maßnahmen immer noch nicht richtig. Kroes soll nun bis zum 8. Dezember ihre Beihilfe-Leitlinien für die Finanzkrise überarbeiten, sodass der Konflikt beim EU-Gipfel wenige Tage später gelöst werden kann.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie die Bundesregierung ihre Milliardenhilfe für die Commerzbank rechtfertigt.

Die Commerzbank hatte als erste private Großbank Anfang November Hilfe beim Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) beantragt und 8,2 Milliarden Euro Kapital sowie Garantien für Kredite im Volumen von 15 Milliarden Euro erhalten.

Die EU ist der Auffassung, die Commerzbank erhalte das Kapital zu billig. Laut einer EU-Verordnung müssen sich die Regierungen Kapitalhilfen mit zehn Prozent verzinsen lassen. Die Commerzbank zahlt für einen ersten Teil der staatlichen Hilfen 5,5 Prozent, für einen zweiten Teil 8,5 Prozent.

Die Bank und die Bundesregierung argumentieren aber, dass der Staat zusätzlich an möglichen Kurssteigerungen der Commerzbankaktie partizipiere. Die EU-Kommission verlangt von Frankreichs Banken zudem, dass sie keine Dividenden ausschütten, solange sie Geld vom französischen Staat bekommen.

Unmut in Finanzkreisen

Die Commerzbank gibt sich noch gelassen. Man gehe davon aus, dass EU und Bundesregierung sich einigen und die Bank die Hilfen erhalte, sagte ein Sprecher. In Finanzkreisen herrscht jedoch Unmut über den Streit. "Die Haltung der EU ist nicht hilfreich", sagte ein Frankfurter Banker. Es sei zu befürchten, dass sich weitere Banken mit Hilfsanträgen zurückhielten, solange Zweifel bestünden, ob die EU die Hilfen bewilligt.

Nach Angaben des Soffin haben bislang 14 Finanzdienstleister Hilfe bei dem Stabilisierungsfonds beantragt. Zu den großen Antragstellern gehören neben der Commerzbank die Hypo Real Estate, die HSH Nordbank und die Bayern LB. Der Großteil der Anträge wird derzeit noch geprüft. Die bayerische Landesbank will allerdings lediglich Garantien des Soffin in Anspruch nehmen.

Streit gab es beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel auch um weiter Konjunkturhilfen. Deutschland werde zusätzlich zu dem bereits beschlossenen 31-Milliarden-Euro-Paket nicht mehr Geld ausgeben, sagte Steinbrück: "Ich denke nicht darüber nach."

Einige EU-Länder würden "spürbar" Druck ausüben, um Berlin zu bewegen, mit zusätzlichem Geld die Wirtschaft zu beleben. Er sei nicht bereit, die Neuverschuldung "bis zum Anschlag" von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. "Gerade sind wir für unsere Haushaltskonsolidierung gelobt worden", sagte Steinbrück. "Jetzt können wir nicht in die Pflicht genommen werden, diesen Spielraum wieder zum Schuldenmachen zu nutzen".

© SZ vom 03.12.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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