Brexit-Verhandlungen:Bloß kein Dumping

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Die Europäische Union zieht Grenzen für die Verhandlungen mit Großbritannien. Der Zeitdruck ist enorm, denn am 31. Dezember endet die Übergangsphase. Bis dahin ändert sich nichts. Für die Zeit danach braucht es dringend Lösungen.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) gehen selbstbewusst in die Gespräche über die künftigen Beziehungen mit Großbritannien. Die Europaminister stimmten am Dienstag einem Verhandlungsmandat zu, in dem sowohl die Prioritäten als auch die roten Linien festgehalten sind, an denen sich EU-Chefunterhändler Michel Barnier orientieren wird. Dem früheren EU-Mitglied wird eine enge Partnerschaft "ohne Zölle und ohne Quoten" angeboten, doch dafür muss sich das Vereinigte Königreich an die Regeln halten und keine Standards unterlaufen.

Während Barnier mit "sehr schwierigen" Gesprächen rechnet, beschreibt Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) das angestrebte Verhältnis mit Großbritannien so: "Es darf zu keinem Sozialdumping kommen, es darf zu keinem Umweltdumping kommen." Für Frankreichs Staatssekretärin Amélie de Montchalin geht es darum, "die Interessen der Europäer zu schützen". Es werde Kontrollen zu künftigen Abmachungen und Klauseln für Sanktionen geben, falls London die Vereinbarungen nicht einhalten sollte, sagt de Montchalin. Die Regierung in Paris hatte als allerletzte dem 46-seitigen Dokument zugestimmt und darauf bestanden, dass die Regeln für das "level playing field" nochmals verschärft wurden. Hinter dem "ebenen Spielfeld" steht der Gedanke, dass britische Firmen gegenüber Konkurrenten in der EU keine unfairen Vorteile genießen sollen. Importe aus dem Königreich sollen nur von Zöllen befreit werden, wenn Premier Boris Johnson keine Standards absenkt und sich an EU-Regeln für Subventionen hält. Die "Standards der Union" sollen "als ein Referenzpunkt" dienen. Dies ist eine schwächere Position als die Forderung des Europaparlaments, das eine "dynamische Anpassung" verlangt hatte. Dies hätte eine dauerhafte Übernahme von EU-Auflagen bedeutet, was London ablehnt. An diesem Donnerstag wird Großbritannien seine Verhandlungsposition offiziell veröffentlichen, so dass die Gespräche am Montagnachmittag beginnen können. Das erste Treffen findet in Brüssel statt, danach reist Barnier nach London. Die Expertenteams von Barnier und seinem britischen Gegenüber David Frost werden alle drei Wochen treffen - für eine Woche Verhandlung zu einem Teilbereich sind je eine Woche Vor- und Nachbereitung eingeplant. Es sei sinnvoll, dass weiter bei Barnier alle Fäden zusammenlaufen, sagt ein EU-Diplomat: Dieser genieße nicht nur das Vertrauen der Hauptstädte und des Europaparlaments, dessen "Ja" erneut nötig ist. Er habe auch genug Erfahrung, um die Gesamtlage im Blick zu haben, denn damit Fischer aus Dänemark oder Frankreich Zugang zu britischen Gewässern kriegen, dürften anderswo Zugeständnisse nötig sein. "Der Freihandelsvertrag wird verbunden sein mit einer Einigung zur Fischerei und zum level playing field. Oder es gibt gar kein Abkommen", stellt Barnier klar. Es herrscht enormer Zeitdruck: Am 31. Dezember endet die Übergangsphase, die nach dem Austritt der Briten zum 1. Februar begonnen hatte und in der sich faktisch nichts ändert. Für die Zeit danach braucht es eine neue Lösung - und Johnson lehnt die Option der Verlängerung, die er bis Ende Juni beantragen kann, kategorisch ab. Er ließ Anfang der Woche wissen, dass ihm vor allem Souveränität wichtig ist und er sich an den Slogan der Brexit-Kampagne "Take Back Control" gebunden fühle.

Mit Sorge wird in Brüssel registriert, dass Großbritannien bisher nichts tut, um Waren kontrollieren zu können, die von dort auf die irische Insel kommen. Irlands Außen- und Handelsminister Simon Coveney fordert London daher auf, die Vereinbarung zum Brexit umzusetzen. Sie sieht unter anderem vor, dass die Briten künftig Waren prüfen, die über Nordirland zum EU-Mitglied Irland geliefert werden. Wenn die nötige Infrastruktur nicht aufgebaut werde, wäre dies ein "beunruhigendes Signal", so Coveney.

Diese Sorge wird auch von Barnier geteilt.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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