Braucht man das?:Übersetzung ins Ohr

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Die Ohrstöpsel vom Timekettle: Der eine empfängt die Nachricht, der andere sendet die Übersetzung. (Foto: oh)

Die Bluetooth-Ohrstöpsel von Timekettle beherrschen 40 Sprachen - allerdings darf nicht zu schnell gesprochen oder gar genuschelt werden.

Von Mirjam Hauck

Eigentlich sind die weißen kabellosen Bluetooth-Ohrstöpsel kein Gadget für diese Corona-Zeiten. Denn anders als ihre Schwestern von Apple und Co. sind die Earbuds M2 der chinesischen Firma Timekettle nicht dazu da, um Musik abzuspielen. Das können sie im Gegensatz zum Vorgängermodell WT2 Plus zwar auch, ihr eigentlicher Zweck ist aber das Übersetzen. Am besten simultan, also gleichzeitig und in Echtzeit. Deshalb teilt man die zwei Ohrstöpsel auch auf, quasi in Sender und Empfänger. 40 Sprachen verstehen und sprechen die M2, mit den unterschiedlichen Ausprägungen wie britisches und amerikanisches Englisch kommen sie insgesamt auf 93 Varianten.

In den Werbefilmen der Firma erklärt nun zum Beispiel ein Taxigast mit Hilfe der Ohrhörer und der passenden App in einer unbekannten Stadt dem Fahrer, wohin er möchte. Und zwei Frauen unterhalten sich im Flugzeug eng nebeneinander sitzend auf Spanisch und Englisch darüber, welches Museum in Stockholm sie gerade besucht haben. Da solche Szenarien im Home-Office und in Zeiten von Abstandsgeboten gerade nicht üblich sind, muss der Polnisch sprechende Schulfreund des Sohnes mittesten. Der ist begeistert, dass er seinen Freund nun mit "cześć" begrüßen kann und das Gegenüber ihn versteht. Neben diesem sogenannten "Touch Mode" gibt auch den "Lesson Mode", mit dem über das Mikrofon des Handys aufgenommen wird und dann die Übersetzung in die Knöpfe im Ohr gesprochen wird. Laut Timekettle eignet sich diese Einstellung besonders für fremdsprachige Vorträge. Wer versucht, auf diese Weise etwa Politikerreden auf Youtube anzuhören, stößt allerdings schnell an Grenzen. Boris Johnson spricht wohl doch zu schnell, als dass die Simultandolmetscherin im Ohr das Gesagte hundertprozentig korrekt wiedergeben könnte. Insgesamt gilt: Je kürzer die Sätze und je deutlicher die Aussprache, umso besser ist das Ergebnis. Und bei Reden chinesischer Politiker ist das Ergebnis zumindest so gut, dass man auch ohne Sprachkenntnisse das Wichtigste versteht - oder das zumindest glaubt.

Timekettle lässt die M2 über eine Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo finanzieren. Dort kosten sie rund 70 Euro. Die Interessenten rechnen offenbar damit, dass Taxifahrten in fremden Städten und Vielfliegen bald wieder uneingeschränkt möglich sind: Das Funding-Ziel für die Übersetzungsohrhörer ist jedenfalls bereits erreicht.

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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