Boni-Affäre bei AIG:"Seien Sie wachsam"

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Der Skandal um Manager-Boni bei AIG hat zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Mittlerweile ist der Zorn so groß, dass sich das Management des Versicherers um die Sicherheit der Mitarbeiter sorgt.

N. Piper

Es gibt Nachrichten in diesen Tagen, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder erschrecken soll. Die American International Group (AIG), einst die größte Versicherung der Welt, ist unter Amerikanern heute ungefähr so populär wie Al-Qaida. "Nicht so schnell, Ihr gierigen Bastarde", titelte die Boulevard-Zeitung New York Post, als es um die geplante Sondersteuer auf die Boni bei AIG ging. Jene 165 Millionen Dollar also, die das de facto bankrotte Unternehmen 463 Mitarbeitern zugesagt hat, und zwar ausgerechnet im Bereich Finanzprodukte, jenem Bereich also, der wie ein hochspekulativer Hedgefonds auf der Versicherung saß und diese letztlich in die Luft sprengte. "AIGreed" (AIGier) steht auf den Plakaten, die Demonstranten in Washington, New York und anderswo in den USA vor sich her tragen.

Proteste gegen AIG: Der Versicherer ist in den USA etwa so beliebt wie Al-Qaida. (Foto: Foto: AFP)

Der Zorn über die "gierigen Bastarde" ist so groß, dass sich das Management von AIG mittlerweile Sorgen um die Sicherheit der Mitarbeiter macht. "Wegen der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit, die durch die Medien geschürt wird, möchte der AIG-Sicherheitsdienst alle Angestellten auf einige Vorsichtsmaßnahmen hinweisen," heißt es in einem Memorandum an die AIG-Mitarbeiter vom Donnerstag, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Es ist entscheidend, dass jedermann wachsam bleibt in dieser Zeit, und dass er sofort die Nummer 911 (also den Notruf) wählt, sobald er eine Gefahr wahrnimmt."

Die Liste der empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen ist lang. AIG-Mitarbeiter sollten keine T-Shirts, Taschen oder Regenschirme mit dem Firmenlogo in der Öffentlichkeit tragen. "Stellen Sie sicher, dass Ihr Firmenausweis nicht sichtbar ist, wenn Sie das Büro verlassen," schreibt der Sicherheitsdienst weiter. Und: "Reisen Sie nachts, wenn möglich, immer zu zweit, parken Sie Ihr Auto immer an gut beleuchteten Plätzen." Oder: "Achten Sie auf Individuen, die nicht hierher zu gehören scheinen oder die unangemessen lange nahe einer AIG-Einrichtung verweilen." Die Mitarbeiter sollten aufgebrochene Fenster, Schlösser und Türen melden, keine persönlichen Informationen über Telefon oder E-Mail herausgeben, öffentliche Diskussionen über AIG vermeiden und nicht mit Medienleuten über das Unternehmen reden.

Protesttour im Bus

Beklemmend ist, dass diese Regeln nicht einfach Ausbund übertriebener Vorsicht eines nervösen Sicherheitsdienstes sind. AIG-Mitarbeiter haben tatsächlich Grund, sich bedroht zu fühlen. Die New York Times berichtete über einen Mann aus Fairmont im Bundesstaat Connecticut, den die Boulevard-Presse als Jackpot Jimmy bekannt gemacht hatte. "Ich fühle mich schrecklich, die gesamte Privatsphäre ist weg," sagte der Mann, der mit richtigem Namen James Haas heißt. "Verstehen Sie: Da sind Kinder involviert, es hat Morddrohungen gegeben." Haas hatte nach eigenen Angaben mit den fatalen Kreditgeschäften von AIG nichts zu tun und verzichtete sowieso von sich aus auf seinen Bonus.

Besonders gespannt ist die Lage in Wilton, einer wohlhabenden Kleinstadt mit 18.000 Einwohnern in Connecticut, nicht weit von der Grenze zu New York. Dort, in einem Gewerbegebiet, ist der Sitz des AIG-Bereichs Finanzprodukte. Deren Mitarbeiter waren bisher normal ins Gemeindeleben integriert, es gab sogar eine lokale AIG-Basketball-Mannschaft. Als dann aber die schlimmen Nachrichten über die Boni bekannt wurden, reagierten einige Nachbarn entsetzt.

"Die Menschen hier regen sich auf", sagt Ted Hoffstatter, ein Lehrer aus Wilton, der Zeitung USA Today. "Ein paar Leute dort haben sich wie Banditen verhalten." Etliche AIG-Mitarbeiter haben inzwischen private Sicherheitsdienste angeheuert, die Polizei von Wilton fährt verstärkt Streife in den entsprechenden Wohnbezirken. Eine Protestgruppe namens "Connecticut Working Families" plant für diesen Samstag eine Bustour zu den Wohnhäusern von AIG-Mitarbeitern.

© SZ vom 21.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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