Börsenweisheiten:Richtiger Zeitpunkt

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Es gibt schlaues und dummes Geld, wenn man dem Credo von US-Investor Buffett glaubt.

Von Markus Zydra

Das Börsengeschäft weist im Vergleich zu anderen marktwirtschaftlichen Aktivitäten eine Anomalie auf. Während die Nachfrage nach Autos, Reisen oder Lebensmitteln in aller Regel dann steigt, wenn der Preis sinkt, verhält es sich an den Finanzmärkten häufig anders herum: Menschen kaufen gerne Aktien, weil deren Kurse gestiegen sind. Der Grund ist so einleuchtend wie gefährlich. Eine Preiskurve, die nach oben zeigt, stärkt das Vertrauen der Anleger, dass dies auch so weiter geht. US-Investor Warren Buffett, 88, hat sich dazu seine Gedanken gemacht. Eine seiner Weisheiten lautet: "Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind."

Wissenschaftler sprechen von "Contrarian": Wenn an den Börsen großer Optimismus herrscht, ist der Moment gekommen, seine Aktien zu verkaufen. Phasen, in denen Anleger Angst haben, weil die Kurse lange Zeit nur gefallen sind, seien eine gute Gelegenheit, um Aktien zu kaufen. Der Contrarian-Ansatz glaubt nicht an die Schwarmintelligenz. Das Herdenverhalten an der Börse ist Buffett und seinen Anhängern suspekt. Er hält es für gefährlich, denn je mehr Anleger Aktien kauften und je länger die Preise stiegen, desto höher seien die Verlustrisiken. Buffetts Credo: Das "schlaue" Geld fließt an die Börse, wenn andere nicht kaufen. Das "dumme" Geld kommt, wenn alle anderen zuschlagen.

Den Einfluss von Emotionen auf Anlageentscheidungen untersucht die Verhaltenswissenschaft: Bullenmärkte waren oft giergetrieben, Bärenmärkte angstgetrieben. Investoren verpassen häufig den richtigen Zeitpunkt für den Ein- und Ausstieg. Selbst Anleger, die langfristig investieren und Krisen aussitzen wollen, verlieren die Nerven: Sie verkaufen die Wertpapiere zum Höhepunkt der Finanzkrise, an dem man wieder einsteigen sollte. In den vergangenen 20 Jahren gab es einige dieser Zyklen von Euphorie und Panik: Die Börsen brachen 1998, 2000 bis 2003 und 2008 ein, nachdem sie lange Zeit steigende Kurse verzeichneten. Trotzdem blenden Menschen häufig Warnsignale aus. Die Profitgier verdrängt den gesunden Menschenverstand. Anleger kaufen und verkaufen Aktien viel zu spät. Gegen den Strom zu schwimmen und dabei den Moment zu erahnen, wenn die Vernunft an den Börsen in Euphorie überschwappt - das ist nach Buffett die hohe Kunst des Investierens.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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