Börsenweisheiten:Blöde Mathematik

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(Foto: N/A)

Folge 10: Warum Aktien 100 Prozent aufholen müssen, wenn sie zuvor um 50 Prozent gefallen sind.

Von Harald Freiberger, München

Der 1999 verstorbene André Kostolany hat viele Börsenweisheiten geprägt, diese zählt zu den weniger bekannten: "Gewinnen kann man, verlieren kann man, aber zurückgewinnen: unmöglich." Weise ist sie dennoch, in ihr stecken mehrere Wahrheiten: eine mathematische, eine psychologische, eine ökonomische.

Es wäre interessant, Menschen auf der Straße die Frage zu stellen: "Um wie viel muss eine Aktie steigen, die 50 Prozent verloren hat, um den Ausgangskurs zu erreichen." Nicht wenige würden wohl antworten: 50 Prozent. Das stimmt aber nicht, es sind 100 Prozent. Denn der Prozentsatz wird von halbierter Basis aus berechnet, ist also doppelt so groß. Beispiel: Die Aktie fiel von 20 auf 10 Euro (50 Prozent). Um wieder auf 20 Euro zu steigen, muss sie sich verdoppeln. Übrigens potenziert sich das Problem mit der Höhe des Verlusts: Eine Aktie, die um 90 Prozent gefallen ist, muss schon um 900 Prozent steigen.

Das ist der mathematische Kern des Spruchs von Kostolany: Je höher der Verlust, umso größer muss, prozentual gesehen, die Anstrengung sein, ihn wieder wettzumachen. Damit ist man schon bei der psychologischen Wahrheit: Vielen Menschen fällt es sehr schwer, Verluste hinzunehmen. Sie sagen Sätze wie: "Ich will zumindest mein Geld wieder haben." Das aber wird umso schwieriger, je tiefer eine Aktie gefallen ist. Mathematik und Psychologie spielen Anlegern da einen Streich.

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma? "Ja, wenn man ökonomisch rational an die Sache herangeht", sagt Marco Herrmann, Chef der Münchner Vermögensverwaltung Fiduka, für die Kostolany lange als Partner arbeitete. Anleger sollten sich bewusst machen, dass eine einzelne Aktie an der Börse immer verlieren kann, manchmal auch sehr deutlich. "Dann hilft es nichts, auf den Einstiegskurs zu schielen, den man vermutlich nicht mehr erreichen wird", sagt Herrmann.

Besser sei es, sich zu fragen, ob man die Aktie derzeit wieder kaufen würde. Manchmal übertreibe die Börse nämlich nach unten, die Aktie könne nach einem Fall um 50 Prozent auch wieder um 20 oder 30 Prozent steigen. "Die entscheidende Frage ist, für wie werthaltig man ein Unternehmen hält und ob es vielleicht eine bessere Alternative zu der Aktie gibt", sagt Herrmann. Das sei jedenfalls besser, als verbissen den Einstiegskurs wieder erreichen zu wollen.

© SZ vom 15.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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