Börsen:Zürich profitiert vom Zank mit der EU

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Schweizer unter sich: Investoren und Wertpapierhändler aus der EU dürfen nicht mehr an Schweizer Börsen handeln. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Werden Aktien von Novartis oder Roche bald stärker in der Schweiz gehandelt?

Von Isabel Pfaff, Bern

Monatelang hatte die EU gedroht, nun hat sie Ernst gemacht: Seit dem 1. Juli erkennt Brüssel die Schweizer Börsengesetze nicht mehr als gleichwertig an. Damit dürfen Wertpapierhändler aus der EU nicht mehr an Schweizer Börsen mit Aktien handeln, die auch anderswo zu haben sind - denn die europäische Finanzmarktregulierung sieht vor, dass Händler aus der EU nur an der EU gleichwertigen Plätzen aktiv werden dürfen.

Das Pikante an dieser Maßnahme: Eigentlich hat Brüssel gar nichts an den Schweizer Börsen auszusetzen. Die EU nutzt die Börsenäquivalenz nur als Druckmittel im Streit um das Rahmenabkommen. Dieser Vertrag soll das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Bern und Brüssel neu regeln; seit November 2018 liegt der Entwurf vor. Nur hat die Schweizer Regierung, der Bundesrat, immer noch nicht unterschrieben. Sie verweist auf große innenpolitische Widerstände und fordert von Brüssel Präzisierungen. Doch die EU verliert zusehends die Geduld mit den Schweizer Sonderwünschen. Die Aberkennung der Äquivalenz soll ein erster "Schuss vor den Bug" sein, wie es EU-Kommissar Johannes Hahn kürzlich formulierte.

Allerdings hat sich die Schweiz gewappnet. Schon seit Ende 2018, als die Aberkennung bereits im Raum stand, ersann die Regierung in Bern einen Notfallplan. In der vergangenen Woche hat sie ihn aktiviert - und nun könnte es sein, dass am Ende die EU-Börsen stärker unter dem Streit leiden als die schweizerischen.

Der Bundesrat hat nämlich eine zusätzliche Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze eingeführt. Weil nun die Schweiz von der EU diskriminiert wird, erhalten EU-Börsen diese Anerkennung nicht - und so dürfen Aktien von Schweizer Unternehmen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr an EU-Börsen gehandelt werden. Viele europäische Börsen meldeten deshalb am Montag eine entsprechende Handelsaussetzung. Die Frankfurter Börse sprach von 182 betroffenen Aktien, darunter Schwergewichte wie Nestlé, Roche oder Novartis, die zu den am stärksten gewichteten Titeln im europäischen Aktienindex Stoxx Europe 50 gehören.

Rund 30 Prozent des Handels mit Schweizer Aktien lief bislang über EU-Börsenplätze. Mit der Blockade könnte dieser Handel wieder in die Schweiz zurückfließen.

Allerdings dürften auch die Kosten für die Anleger steigen, wenn sie mit Aktien auf Schweizer Börsenplätzen handeln. Wie sich der Streit langfristig auf die Handelsplätze auswirkt, lässt sich deshalb nur schwer vorhersehen.

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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