Börse:Lira verliert nach Erdoğan-Eingriff

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Die türkische Lira hat nach der Entlassung von Zentralbankgouverneur Murat Cetinkaya an Wert verloren. Das Foto zeigt eine Wechselstube in Instanbul. (Foto: Miguel Angel Sanchez, Bloomberg)

Türkischer Präsident setzt Chef der Zentralbank ab. Der Stellvertreter übernimmt.

Von Julian Erbersdobler, München

Die türkische Lira hat nach der Entlassung von Zentralbankgouverneur Murat Çetinkaya durch Präsident Recep Tayyip Erdoğan an Wert verloren. Die Lira sackte am Montag zum Dollar in der Spitze um knapp drei Prozent ab. Erdoğan hatte den Chef der Zentralbank per Dekret abgesetzt - ohne Angabe von Gründen. Murat Çetinkaya, der seit April 2016 im Amt war, wurde am vergangenen Wochenende durch seinen bisherigen Stellvertreter Murat Uysal ersetzt.

Analysten hatten die Reaktion vorhergesehen und gesagt, die Entscheidung vom Samstag habe Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank verstärkt. Zuletzt gab die Lira zum US-Dollar wie zum Euro rund 1,5 Prozent nach. Die Zeitung Hürriyet berichtete am Sonntag, Erdoğan habe nach der Entscheidung vor Abgeordneten seiner Regierungspartei AKP gesagt: "Wir haben ihm auf Wirtschaftstreffen immer wieder gesagt, dass er die Zinsen senken soll. Wir haben gesagt, wenn die Zinsen sinken, sinkt auch die Inflation. Er hat aber das Nötige nicht getan." Marktbeobachter rechnen nun mit einer baldigen Senkung des Leitzinses - voraussichtlich bereits auf der nächsten Sitzung der türkischen Notenbank am 25. Juli. Dennoch rutschte der Leitindex der Istanbuler Börse um bis zu 1,8 Prozent ab. Der neue Zentralbankgouverneur sagte, sein Institut werde weiterhin "unabhängig Instrumente der Währungspolitik" zur Preisstabilität anwenden. Analysten konstatierten, dass der Eingriff in die Unabhängigkeit der Zentralbank das Vertrauen der Anleger erschüttere. "Aber wer in solchen Ländern aktiv ist und immer noch investiert, dürfte Kummer ja gewöhnt sein", hieß es. Auch die größte Oppositionspartei meldete sich zu Wort: "Die türkische Zentralbank ist zu einer Geisel des Palastes geworden", twitterte ein CHP-Sprecher.

Um der Inflation entgegenzuwirken, hatte die Zentralbank seit September den Leitzins bei 24 Prozent beibehalten. Zuvor war die Lira nach einem Zerwürfnis zwischen Ankara und Washington eingebrochen, ihr Kurs schwankt seitdem stark. Gleichzeitig sind Inflation und Arbeitslosigkeit gestiegen. Zwischenzeitlich war die Wirtschaft der Türkei in eine Rezession gerutscht. Erdoğan ist gegen hohe Zinsen und hatte immer wieder verlangt, sie zu senken. Die Verunsicherung der Märkte und Investoren kommt für die türkische Wirtschaft zur Unzeit: Ein Waffendeal mit Russland hat einen Konflikt mit den USA ausgelöst. Die Türkei hat von Russland ein Raketenabwehrsystem gekauft, das die USA für ein Sicherheitsrisiko für den Nato-Raum halten. Die ersten Lieferungen sollen schon diese Woche in der Türkei ankommen. Bei einem anderen Konflikt mit den USA im vergangenen Jahr hatten US-Sanktionen die Lira schwer einbrechen lassen.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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