Boeing Dreamliner:Leise auf dem Weg nach oben

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Mike Bair hat die Boeing "787" konstruiert, die am Sonntag präsentiert wird. Sein kühner Gegenentwurf zum "A380" von Konkurrent Airbus soll im Mai 2008 auf dem Markt sein - und zwar pünktlich.

Jens Flottau

In den vergangenen drei Jahren gehörten Telefonkonferenzen für Mike Bair zum Standardprogramm. Alle paar Wochen setzte er sich in Seattle vor sein Telefon und erzählte von seinem Projekt. Dass nun auch die Flügelvorderkanten fest definiert seien, zum Beispiel, und warum diese Konfiguration des Seitenleitwerkes einer anderen vorzuziehen sei.

Er trägt die Verantwortung für den Erfolg oder Misserfolg des "Dreamliners" - der neuen Boeing "787": Michael B. Bair. (Foto: Foto: Boeing)

Was er zu berichten hatte, interessiert die Öffentlichkeit: Der Manager ist Programmchef für das Modell 787, der neue Langstreckenjet des größten Flugzeugherstellers der Welt.

Am Sonntag werden bei der Dreamliner-Premiere voraussichtlich etwa 15.000 Menschen vor der Montagehalle in Everett bei Seattle warten, um den ersten Prototypen zu sehen. Der Moderator des Fernsehsenders NBC, Tom Brokaw, moderiert die Show, Boeing-Chef Jim McNerney ist dabei, und auch Bair wird ganz vorne auf der Bühne platziert sein.

Sein größtes Wagnis: Auf die Krawatte verzichten

Wenn man den 51-jährigen Bair trifft, fallen nur seine leuchtenden Augen auf. Er ist ein schmaler, schmächtiger Mann mit leiser Stimme und einer Stupsnase. Mit seinen beigen Hosen und dem unspektakulären Hemd sieht er aus, wie man sonst im mittleren Management eines großen amerikanischen Unternehmens aussieht. Dass er abends mitunter keine Krawatte trägt, ist schon sein größtes Wagnis. So wie er sich in größeren Runden beim Abendessen gibt, würde man garantiert nicht meinen, dass da vielleicht der künftige Boeing-Chef vor einem sitzt.

Genau das könnte er aber in ein paar Jahren sein. Denn die Leitung des Dreamliner-Programms ist wohl der bedeutendste Job gewesen, den Boeing in den vergangenen Jahren zu vergeben hatte.

Mit der 787 hat Boeing nichts weniger als die Existenz des Konzerns riskiert. Jahrelang dümpelte der vor sich hin und brachte nichts Neues zustande, sondern machte sich mit halbgaren Projekten zum Gespött der Branche und zum guten Verkaufsargument für den Konkurrenten Airbus.

1000 Fehlerquellen

Als die Lage wirklich ernst zu werden drohte und die ersten Analysten darüber spekulierten, ob Boeing überhaupt noch zivile Flugzeuge bauen wolle, holte der Konzern mit dem Mut der Verzweiflung zum großen Wurf aus und schob das Modell 787 an. Der Flieger ist technisch ein Riesenschritt und war von Anfang an ein risikoreiches Projekt. Es gab 1000 Gründe, warum es massive Schwierigkeiten hätte bringen oder zumindest viel zu spät hätte kommen können. Bair musste das verhindern.

Es sieht so aus, als würde er es schaffen. Während der A380 des europäischen Konkurrenten Airbus um zwei Jahre verspätet ist, schwört Boeing, dass die 787 wie geplant im Mai 2008 an den Erstkunden All Nippon Airways ausgeliefert wird. Die bislang einzige Verspätung betrifft den Erstflug: Der sollte eigentlich schon Ende August stattfinden, nun wird es wohl Mitte September.

Hinter den Kulissen mussten Bair und seine Leute allerdings ganz schön klotzen. Der 787-Chef schickte Hundertschaften von Boeing-Ingenieuren quer um den Globus, damit sie den Lieferanten bei Konstruktionsproblemen helfen. Das war zwar teuer, aber es hat geholfen.

Er kennt sie alle - bis auf die 737 und die 747

Sollte nun das Hochfahren der Produktion ebenfalls gelingen und die 787 die versprochenen Leistungsdaten erfüllen, dann dürften Bair alle Türen offen stehen für seine weitere Karriere. Der nächste Schritt könnte sein, Boeing-Vertriebschef Scott Carson abzulösen, der immerhin 60 ist.

Bair ist Luft- und Raumfahrtingenieur und fing 1979 als 23-Jähriger bei Boeing an. Zuvor hatte er an der Washington State University, der University of Puget Sound und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) studiert. In seinem ersten Projekt sollte er den Lärm beim 787-Vorgänger 767 möglichst stark verringern. Seither hat er sich hochgedient bei Boeing und inzwischen mit fast jeder Baureihe direkt zu tun gehabt bis auf die größte, den Jumbojet 747, und die kleinste, den Mittelstreckenjet 737.

Er war bei der 757-Baureihe für Design, Produktion und Rentabilität verantwortlicher Projektmanager. Bei seinem letzten großen Projekt vor der 787, beim Großraumjet 777, arbeitete er als Chefingenieur. Danach wurde er Strategiechef für die Zivilluftfahrt-Sparte.

Falls Vertriebschef Carson doch noch ein bisschen weitermacht, könnte Bair sich bald auch um ein neues Projekt kümmern und dabei mit dem vorletzten Boeing-Jet zu tun bekommen, dessen Konstruktion er noch nicht betreut hat: Boeing will bald einen Nachfolger für seinen Verkaufsschlager 737 präsentieren.

© SZ vom 06.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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