Bochum:15.000 Menschen protestieren gegen Nokia

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Die Bundesregierung will Arbeitsplätze beim Handyhersteller weiterhin erhalten, die IG Metall droht mit Streiks für einen Sozialtarifvertrag. Dennoch: Nokia-Chef Kallasvuo bekräftige erneut die Pläne zur Werksschließung.

Sibylle Haas

München - IG-Metall-Chef Berthold Huber hat die geplante Schließung des Bochumer Nokia-Werks als Kampfansage an seine Gewerkschaft bezeichnet. "Ich fordere den Konzernvorstand auf, ein Konzept vorzulegen, das den Beschäftigten und der Region eine Zukunft gibt", sagte Huber am Dienstag auf einer Kundgebung in Bochum. Dem Protestaufruf von IG Metall und des Nokia-Betriebsrats waren mehr als 15000 Menschen gefolgt, darunter nach Angaben der IG Metall auch Mitarbeiter von Opel und Ford sowie von Thyssen-Krupp.

Der finnische Handyhersteller Nokia hatte am Dienstag voriger Woche mitgeteilt, seine Produktion in Deutschland einzustellen und den Standort Bochum bis Jahresmitte zu schließen. Neben 2300Nokia-Beschäftigten sind etwa 1000 Leiharbeiter und weitere 1000 Mitarbeiter bei Zulieferfirmen betroffen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach den Nokia-Beschäftigten ihre Unterstützung. Es müsse alles getan werden, den Menschen eine Perspektive zu geben, sagte sie am Dienstag dem Sender NDR Info. Die Kommunikation des Handy-Herstellers sei nicht akzeptabel. Das habe sie auch dem Nokia-Chef in einem persönlichen Gespräch gesagt, so Merkel. Die Entscheidung gegen den deutschen Standort sei unverständlich, weil gerade die Mitarbeiter in Bochum extrem flexibel arbeiteten.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hartmut Schauerte (CDU), sprach bei der Kundgebung für die Bundesregierung. Vorrangiges Ziel sei es, die Entscheidung von Nokia ganz oder in Teilen zu verändern. "Dies kann nicht das letzte Wort sein", so Schauerte in Bochum. Meldungen, wonach Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), in Bochum sprechen sollte, wurden vom Bundesfinanzministerium als nie geplant zurückgewiesen.

IG-Metall-Chef Huber drohte dem Handyhersteller mit einem harten Arbeitskampf. "Wir kämpfen als erstes um die Arbeitsplätze in Bochum. Und wenn es keinen Ausweg mehr gibt, kämpfen wir um einen Sozialtarifvertrag. Dort sind wir dann streikfähig, im Gegensatz zu einem Sozialplan", sagte Huber zuvor im Bayerischen Rundfunk.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte im April vorigen Jahres Streiks über Sozialtarifverträge erlaubt und die Arbeitnehmer gestärkt. Für die Aufstellung von Sozialplänen sind laut B etriebsverfassungsgesetz Arbeitgeber und Betriebsräte zuständig. Betriebsräte dürfen nicht zu Streiks aufrufen, anders als die Gewerkschaften. Da nach dem BAG-Urteil auch Sozialplaninhalte (Abfindungen, Qualifizierungen) tariflich regelbar sind, dürfen solche Sozialtarifverträge erstreikt werden.

Huber warf dem finnischen Konzern vor, die Menschen zu verhöhnen und die Öffentlichkeit zu belügen. "Nicht wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit soll Bochum geschlossen werden, sondern wegen der ungezügelten Gier nach maßlosen Profiten", sagte der IG-Metall-Chef. Nokia habe sich zum Ziel gesetzt, das Vermögen seiner Anleger alle fünf Jahre zu verdoppeln.

"Das ist aberwitzig und untergräbt das wirtschaftliche Fundament und das soziale Gefüge jeder Gesellschaft", so Huber. In einer Solidaritätsadresse sagte der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) den Nokia-Beschäftigten seine Unterstützung zu. Die Art und Weise, die Beschäftigten über die Werksschließung zu informieren, lasse die soziale Verantwortung des Unternehmens vermissen.

Am Montag waren die IG-Metall-Bevollmächtigte in Bochum, Ulrike Kleinebrahm, und die Nokia-Betriebsratsvorsitzende in Bochum, Gisela Achenbach, zu einem Gespräch bei der Nokia-Spitze in Helsinki. Sie hätten den Willen der Belegschaft zum Einsatz aller Möglichkeiten für die Erhaltung der Arbeitsplätze bekundet, teilte die IG Metall mit. Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo und der Vorstand haben die Schließungspläne bekräftigt. Betriebsrat und IG Metall wollen ein alternatives Standortkonzept erarbeiten.

© SZ vom 23.01.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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