Biosensoren:Der überwachte Mensch lebt gesünder

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Eine Baseballkappe empfängt Hirnströme, Smartphones erstellen ein EKG: Mobile Sensoren und andere Geräte sollen helfen, die alternde Gesellschaft gesund zu halten.

Helmut Martin-Jung

Es war nur ein banaler Sportunfall, der Patrick Soon-Shiong daran hinderte, von Kalifornien aus herüberzukommen nach Florida. Dort traf sich die Mobilfunkbranche zu einer ihrer wichtigsten Messen des Jahres, der CTIA Wireless.

Forscher mit Biosensoren-System: "Das klingt noch sehr nach Star Wars, aber es wird machbar sein." (Foto: AP)

Dass der Vortrag des Mediziners und Uni-Professors dann per Satellit in die Messehallen des Convention Center von Orlando übertragen wurde, passte freilich perfekt zu seinem Thema. Denn er hat die Vision eines gigantischen Netzes aus zahllosen medizinischen Messgeräten, aus Mobilfunksendern und Rechenzentren, die all diese Daten nicht nur zu aussagekräftigen Diagrammen und Kurven für einen einzelnen Patienten verrechnen.

Nein, Soon-Shiong denkt groß. Ähnlich wie bei Google, wo man heute schon zwei Wochen vor den Gesundheitsbehörden weiß, wann und wo sich eine neue Grippewelle anbahnt, soll die Zusammenführung und Auswertung dieser Daten Aussagen darüber ermöglichen, die nicht nur einzelnen, sondern vielen helfen können.

Eine wichtige Rolle spielen dabei kleine mobile Geräte, die man am Körper trägt oder einfach nur benutzt, die aber ihre Daten drahtlos übermitteln. Vieles davon ist noch Zukunftsmusik, räumt Soon-Shiong selbst ein. Eine Baseballkappe etwa, die Hirnströme empfängt und als Befehle an ein Exoskelett weiterreicht, eine motorische Gehhilfe für Gelähmte also - "Das klingt noch sehr nach Star Wars, aber es wird machbar sein."

Robert McCray vom Industrieverband Wireless-Life Sciences Alliance erwartet sich zunächst einmal mehr Transparenz und Verlässlichkeit, wenn messbare Daten zu Medikamenten und Behandlungsmethoden vorliegen: "Dieses Feedback, könnte uns sagen, ob eine Behandlung oder ein medizinisches Gerät hilft oder eben nicht."

Blutzuckermesswerte per Mobilfunk

McCray sieht die neuen Möglichkeiten aber auch als Mittel dazu, den Menschen "mehr Verantwortung für ihre eigene Gesundheit" zu übertragen - zum Beispiel beim Kampf gegen die Volkskrankheit Fettleibigkeit. "Damit diese Verantwortung übernommen werden kann, brauchen die Menschen aber auch die nötigen Geräte."

Auf der Messe hat man dem Wachstumsmarkt Wireless Health einen Pavillon reserviert, in dem Firmen zeigen, was sich heute schon realisieren lässt. Telcare beispielsweise zeigt ein Blutzuckermessgerät, das nicht bloß den Wert elektronisch ermittelt, sondern ihn über Mobilfunk auch in eine Datenbank überträgt, auf die Ärzte und Pfleger bei Bedarf zugreifen können. So müssen sie sich nicht mehr darauf verlassen, was die Patienten in ihre Tagebücher eintragen.

Wenn es ums Abnehmen geht, neigen viele Menschen zum Selbstbetrug - da könnte es helfen, ein paar harte Fakten zur Hand zu haben. Für diese Zielgruppe ist das Armband von BodyMedia gedacht, das man Tag und Nacht trägt und das nicht nur ständig wichtige Vitaldaten wie Temperatur, Puls, Schweißbildung, Kalorienverbrauch und Bewegung erfasst, sondern auch, wie gut man nachts schläft.

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Bildern.

Die Daten werden in Apps für Smartphones aufbereitet oder lassen sich über das Internet auch am PC darstellen. Damit es wirklich funktioniert, muss man allerdings dem System eingeben, was man zu sich nimmt. Um abzunehmen, wäre es vermutlich auch sinnvoll, auf dessen Ratschläge zu hören - sich mehr zu bewegen beispielsweise.

Geräte wie dieses, für das man kein Kabel umständlich anschließen muss, hat Clint McClellan vor Augen, wenn er an mobile Gesundheitsvorsorge denkt: "Menschen sind krank, weil sie schlechte Lebensgewohnheiten haben", sagt er, "wenn man aber ein Gerät hat, das einen akkurat über wichtige Biodaten informiert, kann man diese Gewohnheiten ändern."

McClellan arbeitet beim Mobilfunkspezialisten Qualcomm, einem der ganz Großen der Branche. Seine Firma sorgt dafür, dass Sensoren ihre Daten drahtlos übermitteln können. "Der PC ist eben nicht immer an", sagt er, "und sie wollen auch nicht mit Kabeln hantieren."

Obwohl es letztlich immer um die Gesundheit gehe, dürfe bei der Sache aber auch der Spaß nicht zu kurz kommen: "Was oft fehlt, ist das Spielerische und auch so etwas wie Belohnung. Die Leute wissen doch selbst, dass sie zu viel essen und sich zu wenig bewegen."

Gesundheitsdaten in falschen Händen

Eine wichtige Motivation zur Entwicklung mobiler Biosensoren und anderer Geräte ist neben dem Geld, das sich damit verdienen lässt, das steigende Durchschnittsalter in den Industrieländern. Patrick Soon-Shiong, der es mit einer von ihm gegründeten und später verkauften Pharmafirma zum Milliardär gebracht hat, gehört verschiedenen Gremien und Organisationen an, die versuchen, mit dem Einsatz von Technik die Kosten im Gesundheitswesen zu drücken.

Der so rundum überwachte Mensch produziert allerdings auch eine Menge an Daten, die es vor unbefugten Zugriffen zu schützen gilt. Zwar, sagt Clint McClellan von Qualcomm, seien Daten im mobilen Internet weitaus besser geschützt und man werde ähnlich hohe Maßstäbe anlegen wie im Finanzsektor. Es gibt aber auch kaum Daten, die man weniger gerne in falschen Händen sähe als die über die eigene Gesundheit.

© SZ vom 04.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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