Bilanzvorschriften:DVAG verschweigt Vorstandsbezüge

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Wie viel DVAG-Chef Andreas Pohl und seine Kollegen verdienen, bleibt im Dunkeln. (Foto: oh)

Deutschlands größter Finanzvertrieb DVAG verstößt gegen das Gesetz, weil er nicht veröffentlicht, wie viel der Vorstand insgesamt verdient. Die Kritik der Wirtschaftsprüfer kümmert die Eignerfamilie Pohl nicht.

Von Herbert Fromme, Köln

Deutschlands größter Finanzvertrieb, die milliardenschwere Deutsche Vermögensberatung AG, bricht seit Jahren das Gesetz, weil sie die Vorstandsbezüge nicht veröffentlicht. Das haben die Wirtschaftsprüfer der Firma KPMG festgestellt. Sie prüfen jährlich die Bilanzen des in Marburg und Frankfurt ansässigen Unternehmens. Die Folge: Ein "eingeschränkter Bestätigungsvermerk" im Geschäftsbericht. Das ist so etwas wie die Note vier minus in einer Klausur. Bei anderen Konzernen hat das zum Rücktritt von Finanzchefs geführt.

Doch das scheint die Familie Pohl nicht weiter zu stören. Sie hält 60 Prozent der DVAG-Anteile, 40 Prozent gehören dem Versicherungskonzern Generali. Obwohl die Prüfer seit vier Jahren die Praxis kritisieren und ihren Bestätigungsvermerk einschränken, bleibt die DVAG bei der Praxis. "Entgegen Paragraf 314 Absatz 1 Nr. 6 Buchstabe a) des Handelsgesetzbuches wurden im Konzernanhang die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder nicht angegeben", monieren die Wirtschaftsprüfer Elmar Hell und Bertram Doublier von KPMG nach ihrer Prüfung der Bilanzen im Bestätigungsvermerk vom 19. März 2019.

Die Gesamtsumme reicht eigentlich. Aber auch die fehlt

Das Gesetz verpflichtet die Gesellschaft, die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder anzugeben. Börsennotierte Unternehmen müssen die Vergütung pro Vorstandsmitglied zeigen. Da die DVAG nicht an der Börse gehandelt wird, reicht die Nennung der Gesamtsumme. Aber auch die fehlt im Geschäftsbericht.

Diese Vorschriften hat der Gesetzgeber nicht ohne Grund eingeführt. Sie sollen für Transparenz gegenüber Kunden, möglichen Geldgebern und Konkurrenten sorgen. Rivale MLP veröffentlicht die Bezüge eines jeden Vorstandsmitglieds - Konzernchef Uwe Schroeder-Wildberg erhielt 2018 1,32 Millionen Euro. Mario Freis, Chef des Vertriebs OVB, musste sich mit 746 000 Euro begnügen. Wie viel DVAG-Chef Andreas Pohl und seine Kollegen verdienen, bleibt im Dunkeln.

Der Vorgang wiegt schwer. Schließlich handelt es sich nicht um eine kleine Klitsche. Der Konzern bewegt Milliarden an Spargeldern. Er hat 17 000 hauptberufliche Vertreter. Fußballtrainer Jürgen Klopp wirbt für die DVAG, Helene Fischer heizt die Stimmung bei Vertriebsveranstaltungen vor Tausenden von Vertretern an. Sie verkaufen Versicherungen, Fondsanteile, Bausparverträge und mehr. Das brachte 2018 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro in die Kasse, fast ausschließlich Provisionseinnahmen, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften zahlen gerne. Sie geben die Kosten ohnehin an ihre Kunden weiter.

Als andere Vertriebe mit Sexskandalen und Lustreisen Schlagzeilen machten, betonte die DVAG stets ihr Saubermann-Image hoch. Zwar feierten ihre Vertreter auf eingecharterten Kreuzfahrtschiffen vor Malta oder Dubai. Aber: "Bei jeder Veranstaltung von uns sind die Partner des Mitarbeiters dabei", betont Andreas Pohl immer wieder.

"Vertrauen basiert auf Transparenz", heißt es bei der DVAG. Von Transparenz scheint das Unternehmen bei der Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen allerdings nicht viel zu halten. Das sieht die DVAG selbst anders: "Die Deutsche Vermögensberatung hat sich bezüglich der Angaben zu den Bezügen des Vorstandes bereits vor Jahren dazu entschlossen, von der Ausnahmeregelung gemäß Paragraf 286 Absatz 4 des Handelsgesetzbuches Gebrauch zu machen", teilt eine Sprecherin mit.

Der Paragraf erlaubt es den nicht an der Börse notierten Unternehmen, die Veröffentlichung der Gesamtbezüge der Vorstände zu unterlassen, "wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines Mitglieds dieser Organe feststellen lassen". Das soll offenbar bedeuten: Wenn die DVAG die Angaben macht, würde die Welt erfahren, was Andreas Pohl verdient. Wie das bei zehn Vorstandsmitgliedern funktionieren soll, lässt die Sprecherin offen.

Der Einwand zieht nach Ansicht der KPMG-Prüfer ohnehin nicht. Wenn die Nicht-Veröffentlichung der Bezüge rechtmäßig wäre, dürfte KPMG den Prüfungsbericht nicht einschränken. Ohnehin können Wirtschaftsprüfer solche Einschränkungen nur vornehmen, wenn sie "wesentliche Beanstandungen" gegen Teile eines Abschlusses haben. "Die Einschränkung setzt voraus, dass die nicht bereinigten Unrichtigkeiten oder Verstöße bedeutend oder wesentlich sind", teilt David Thorn von der Wirtschaftsprüferkammer in Berlin mit. Es geht nicht um Kleinigkeiten.

Es handelt sich auch nicht einfach um unterschiedliche juristische Ansichten von DVAG und KPMG. Wenn die DVAG-Führung wirklich der Ansicht wäre, dass sie rechtmäßig handelt und die KPMG-Prüfer mit ihrer Einschränkung falsch liegen, hätte sie schon längst den Wirtschaftsprüfer wechseln können. Das hat sie aber nicht.

Von Ermittlungen oder Bußgeldern gegen die DVAG wegen des Gesetzesverstoßes ist nichts bekannt. Die Finanzaufsicht Bafin äußert sich nicht - sie ist nicht zuständig für die Versicherungsmakler und Vertreter. Vermittler wie die DVAG werden von den Industrie- und Handelskammern (IHK) beaufsichtigt. Die zuständige IHK Frankfurt sieht keinen Handlungsbedarf. "Die Einhaltung der im Handelsgesetzbuch geregelten Pflichten unterliegt nicht der Aufsicht der IHK", erklärt Geschäftsführer Reinhard Fröhlich. In diesem Fall habe die IHK keine Sanktionsmöglichkeit.

In einem anderen Punkt ist der Geschäftsbericht der DVAG übrigens höchst genau. Für die Abschlussprüfung erhält die Firma KPMG exakt 348 000 Euro.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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