Betrugsvorwurf gegen Baywa:"Ein geheimes System der Rückvergütung"

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Die Baywa hat der Staatsanwaltschaft zufolge Betreiber lokaler Märkte um Millionen betrogen und den Schaden später ausgeglichen. Ein schwieriges Verfahren ohne Schuldige - und ohne Aussicht auf ein Ende.

Uwe Ritzer

Mit der Baywa ist in Bayern nicht immer zu spaßen. Vor einigen Jahren verbot das Kultusministerium ein Schulbuch für den Musikunterricht, weil darin ein lästerliches Lied der Biermösl Blosn vorkam.

Deren "Gott mit dir, du Land der Baywa" sei geeignet, "die Firma Baywa und den Einsatz von chemischen Düngemitteln in der bayerischen Landwirtschaft zu kritisieren'', was Achtklässler verwirren könnte, sagte ein Staatssekretär.

Noch größeres Ungemach als derlei Kabarettistenspott könnte für den im Agrar-, Baustoff- und Mineralölhandel international tätigen Konzern ein Ermittlungsverfahren der hiesigen Staatsanwaltschaft bringen.

Gegen Vorstandschef Wolfgang Deml und ein halbes Dutzend weitere Beschäftigte wird seit drei Jahren wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt. Das Unternehmen hat, davon sind die Ermittler inzwischen überzeugt, die Betreiber lokaler Baywa-Märkte um Millionenbeträge geprellt.

"Objektiv stehen die Straftaten als solche fest''

Den Konzessionsnehmern der Bau- und Agrarmärkte seien Rabatte vorenthalten worden, die der Konzern mit Lieferanten diverser Waren vereinbart habe, sagt Oberstaatsanwalt Stephan Reich, Chef der für große Wirtschaftsdelikte zuständigen Abteilung 11.

"Objektiv stehen die Straftaten als solche fest.'' Nun sei zu klären, wer das zu verantworten habe. ",Die Frage ist, ob der Vorstand Bescheid wusste'', so Reich.

Die Baywa selbst versichert, Vorstandschef Wolfgang Deml wisse von den damaligen Geschäften "überhaupt nichts und war in die Vorgänge auch nicht eingebunden''.

Deml habe "ganz intensiv die Aufklärung vorangetrieben'', erklärte ein Sprecher des Unternehmens. Der Sprecher und Alois Bießle, Leiter Recht und Kredit der Baywa, sprechen von "Systemfehlern''.

Bießle: "Da ist zeitweise nicht richtig zugeordnet worden, was ausgeschüttet werden muss und was nicht.'' Deshalb seien manche Lieferanten-Boni "allzu großzügig zugunsten der Baywa AG zugeordnet worden''.

"Planmäßig verschwiegen''

Seit 2004 geht die Abteilung 11 der Sache nach, in diesem Jahr soll das Ermittlungsverfahren Reich zufolge endlich zum Abschluss kommen. Der Oberstaatsanwalt hält dem Handelskonzern zugute, den Schaden nachträglich beglichen zu haben.

Ein ehemaliger Konzessionsnehmer aus München hatte vor knapp zwei Jahren ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) München erstritten, in dem der Baywa bescheinigt wird, ein "geheimes Rückvergütungssystem'' betrieben zu haben.

Den Konzessionsnehmern lokaler Märkte seien die mit Lieferanten ausgehandelten Sonderboni und Rabatte "planmäßig verschwiegen und vorenthalten'' worden, notierte das OLG am 27. Juli 2005 (Az. 23 U 5590/05).

Die Richter sprachen dem Münchner Geschäftsmann, der fünfMillionen Euro gefordert hatte, Schadensersatz zu. Noch ehe dessen Höhe festgelegt werden konnte, verglichen sich der ehemalige Konzessionsnehmer und die Baywa und vereinbarten Stillschweigen über das Ergebnis.

Oberstaatsanwalt Reich spricht von einem "heiklen Verfahren'', weil es um den Vorstand eines größeren Unternehmens gehe. Im Juli 2004 hatten Polizei und Staatsanwaltschaft die Zentrale des Konzerns (16.250 Mitarbeiter, 7,3 Milliarden Euro Umsatz 2006) in München durchsucht, dessen Aufsichtsrat einem Who's who des Genossenschaftswesens gleicht.

Und das wiederum gehört zum politisch-wirtschaftlichen Wurzelgeflecht des Landes. Baywa-Aufsichtsratschef ist Manfred Nüssel, Sohn eines früheren CSU-Landwirtschaftsministers und amtierender Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes. Sein österreichischer Amtskollege Christian Konrad sitzt ebenso in dem Gremium wie Bayerns Genossenschaftsverbandspräsident Stephan Götzl.

Dass sich die Betrugsermittlungen unter dem Aktenzeichen 322 JS 30692/04 seit drei Jahren mühsam dahinschleppen, begründet Reich mit dem zweimaligen Wechsel der zuständigen Staatsanwälte.

Die Ermittler interessieren sich vor allem für Vorgänge ab 1990. Nach dem Fall der Mauer herrschte in Ostdeutschland Goldgräberstimmung und die Baywa wollte mit schürfen.

"Besonders vorteilhaften Einkaufspreisen und sonstigen Bezugsbedingungen''

Bald eröffneten in Sachsen erste Baywa-Märkte, die von Konzessionsnehmern betrieben wurden. Sie schlossen mit einer Tochtergesellschaft des Konzerns Verträge, in denen Paragraph 10 den Warenbezug regelte. Demnach hätten die Betreiber der lokalen Märkte von den "besonders vorteilhaften Einkaufspreisen und sonstigen Bezugsbedingungen'' der Baywa profitieren müssen.

Der Konzern hat aber einem Bericht der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young vom 23. März 2005 zufolge Rabatte von Herstellern wie Black&Decker, Gardena, Brillaint oder Hornitex nicht vollständig an die Betreiber lokaler Märkte weitergegeben. Ernst & Young hatte "beispielhaft ausgewählte Lieferanten'' untersucht.

Der Gesamtschaden ist schwer zu beziffern. Ein ehemaliger Baywa-Mitarbeiter sprach gegenüber den Ermittlern von vorenthaltenen drei Millionen Euro pro Jahr, was die Baywa jedoch als absurd zurückweist.

In einem internen Revisionsbericht vom Dezember 2002 werden die von 1996 bis 2001 nicht korrekt weitergegebenen Vergütungen auf 6,5 Millionen Euro beziffert. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sei "vieles strafrechtlich verjährt'', sagt Reich. "Für uns sind noch 1,5 Millionen Euro relevant.''

Neue Abrechnungsmethode

Einzelne Zeugenaussagen bei den Ermittlern deuten darauf hin, dass die Baywa-Zentrale systematisch versucht haben könnte, die Konzernkasse auf diese Weise aufzubessern.

Ein Baywa-Mitarbeiter gab an, er sei seit 1990 vom damaligen Einkaufsleiter aufgefordert worden, Zusatzvereinbarungen mit Lieferanten zu schließen. Intern sei von "Vorstandsboni'' und "vertraulichen Vereinbarungen'' die Rede gewesen.

Ein Grazer Geschäftsmann aus dem Genossenschaftsbereich berichtete von einem Sitzungsprotokoll, aus dem hervorgehe, dass man die nicht an die Konzessionsnehmer ausgeschütteten "Lieferantenerträge'' einvernehmlich ("50:50'') zwischen der Baywa und der RWA (Raiffeisen Ware Austria) in Österreich aufteile.

Auf der Suche nach den Verantwortlichen tun sich die Ermittler Oberstaatsanwalt Reich zufolge schwer. "Wenn wir keine persönliche Schuld feststellen können, müssen wir das Verfahren einstellen'', sagt er.

Der Baywa-Sprecher erläutert, man habe 23 Konzessionsnehmern nachträglich 6,9Millionen Euro gezahlt und so den Schaden ausgeglichen. Außerdem habe Baywa vor zwei Jahren ein Abrechnungssystem eingeführt, das für die Betreiber lokaler Märkte alle Vorgänge transparent mache, vom Wareneingang bis zum Bonus. Nichts könne mehr manipuliert werden.

Der Konzern hat sich auch ethische Grundsätze gegeben. Einer davon lautet: "Wir verhalten uns Kunden gegenüber zuvorkommend, partnerschaftlich, korrekt und seriös.''

© SZ vom 30.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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