Betriebsschließungen:Streit um Corona-Versicherung eskaliert

Lesezeit: 2 Min.

Hochgestellte Stühle: Alle Restaurants müssen wegen des Coronavirus geschlossen bleiben. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Gastronomen verlangen Schadenersatz. Manche Versicherer zahlen nicht.

Von Herbert Fromme und Nina Nöthling, Köln

Eine Reihe Versicherer tut gerade alles, um den schlechten Ruf der Branche zu bestätigen. Das findet der Bundesverband der deutschen Versicherungsmakler (BDVM). Seine Mitglieder vermitteln vor allem Policen für Industrie und Gewerbe - und haben einen Riesenärger mit vielen Unternehmen aus den Bereichen Gastronomie, Lebensmittel, Catering, Hotels und Gesundheitswesen.

Sie haben eine "Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr" abgeschlossen. Doch viele Versicherer wollen jetzt die Schäden aus Betriebsschließungen wegen des Corona-Virus nicht zahlen. Ihr Argument: Es handele sich um ein neuartiges Virus, das es bei Vertragsabschluss noch nicht gab und nicht in den Bedingungen aufgelistet wird, deshalb sei es nicht versichert. "Das wird den Versicherern auf die Füße fallen", sagt Hans-Georg Jenssen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Maklerverbandes.

Aktuell bereitet die Weigerung seinen Mitgliedern Probleme, denn die Versicherten lassen ihren Ärger an den Maklern aus. Außerdem drohen ihnen Forderungen nach Schadenersatz, sollten sich ihre Kunden falsch beraten fühlen.

Die Versicherungsbranche ist gespalten. Die Mehrheit hält es mit Anbietern wie Allianz, Axa, Zurich und Württembergische, die in der Regel nicht zahlen wollen. Andere wie die Talanx-Tochter HDI und die Signal Iduna haben erklärt, dass sie für Corona-Schäden im Rahmen der bestehenden Policen aufkommen.

Es geht dabei um hohe Summen. Bei der Axa soll sich der mögliche Schaden auf 150 Millionen bis 200 Millionen Euro belaufen. Dreistellig dürfte es auch bei der Allianz werden, hoch zweistellig bei den meisten anderen großen Anbietern.

Der Maklerverband BDVM verlangt von den Versicherern "Solidarität"

Mit Betriebsschließungspolicen sind in den meisten Fällen Fixkosten und entgangene Gewinne bis zu 30 Tagen bis zu einer Obergrenze - beispielsweise 5000 Euro pro Tag - versichert. Gibt es staatliche Hilfe, wird sie von der Entschädigung durch den Versicherer abgezogen. Inzwischen bringen sich Anwaltskanzleien in Stellung. "Wenn ein Gastronom vom Versicherer gesagt bekommt, das ist nicht versichert, dann schluckt er das oft", sagt der Düsseldorfer Anwalt Mark Wilhelm. Das sei aber in vielen Fällen falsch. Wilhelm prüft kostenlos bestehende Verträge. Wenn die Anwälte der Ansicht sind, dass Versicherungsschutz besteht, klagen sie - gegen ein stattliches Erfolgshonorar von zehn bis 20 Prozent der erstrittenen Summe. Auch Tobias Strübing von der Berliner Kanzlei Wirth bietet Hilfe an. "Wenn Corona in den Versicherungsbedingungen nicht aufgelistet ist, dürfte das in den meisten Fällen keinen Einfluss auf den Versicherungsschutz haben", sagt er.

Der Maklerverband BDVM geht einen anderen Weg. Er schreibt die Versicherer an und weist sie über fünf Seiten auf die seiner Ansicht nach unhaltbare Argumentation hin. "Sie lehnen eine Deckung im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung aufgrund des Corona-Virus nach unseren Informationen generell ab", heißt es in dem Schreiben an den Versicherer Zurich. Die Zurich berufe sich darauf, dass Corona in den Versicherungsbedingungen nicht genannt wird. Das sei kein Argument, so Corvin Kosler, Chefjurist des BDVM. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung seien Versicherungsbedingungen so auszulegen, dass sie ein durchschnittlicher Kunde versteht.

Wenn die Betriebsschließungspolicen nicht über Makler, sondern über Vertreter verkauft wurden, haben betroffene Kunden noch größere Chancen, sich durchzusetzen. Denn die Vertreter gelten rechtlich als "Erfüllungsgehilfen des Versicherers" - und hätten den Kunden darüber aufklären müssen, dass Pandemien durch neue Viren nicht versichert sind.

Der BDVM verlangt von den Versicherern "Solidarität": Sie sollen zahlen und zusätzlich einen Hilfsfonds von 200 Millionen Euro nach französischem Vorbild einrichten, aus dem in Not geratene Versicherungskunden auch bei zweifelhaften Fällen entschädigt werden. Bislang kommt von Versicherern keine direkte Unterstützung für die Initiative, aber auch keine Ablehnung. "Wir sehen in dieser Frage den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft als Ansprechpartner", sagte ein Sprecher des Marktführers Allianz.

© SZ vom 30.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: