Besuch in Nigeria:Die Nothelferin

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Besuch bei Verkäuferinnen: In einer Markthalle in Nairobi posieren Zypries und die Außenministerin Kenias, Amina Mohamed (rechts). (Foto: Michael Bauchmüller)

Brigitte Zypries hatte schon viele Jobs in der Bundesregierung. Seit zwei Wochen ist sie nun Wirtschaftsministerin. Ihre erste Auslandsreise führt sie nach Afrika. Aber auch hier ist sie wieder einmal eingesprungen.

Von Michael Bauchmüller, Nairobi

Das Afrika-Geschäft ist hart, das muss auch Brigitte Zypries rasch feststellen. 5000 Schilling für zehn Schlüsselanhänger, das ist ein Haufen Holz: 45 Euro. Aber Jane Wambui lässt nicht locker, schließlich hat die deutsche Bundeswirtschaftsministerin die guten Stücke schon ausgesucht. "Man muss handeln", ruft ein Mitarbeiter von Zypries aus der zweiten Reihe, und schiebt 2000 Schilling rüber. "Das ist ein guter Preis."

Nur ist Jane Wambui genau so, wie sich Zypries Frauen in der Wirtschaft wünscht: Hartnäckig, selbstbewusst, forsch. Wambui steht vor ihrem Stand in einer Markthalle in Nairobi und schaut ungläubig auf die Geldscheine: Soll das ein Witz sein? Bei 3000 Schilling ist man sich schließlich einig, immer noch ein stolzer Preis für zehn selbstgemachte Schlüsselanhänger. Aber sei's drum: Heute geht es schließlich um die Besserung der deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen.

Seit auf den Tag genau zwei Wochen ist die SPD-Frau Zypries an diesem Freitag Bundeswirtschaftsministerin. Andere arbeiten sich da noch ein, aber Zypries hat keine Schonfrist. Andere reisen zum Amtsantritt in europäische Hauptstädte, vorzugsweise zu den Freunden nach Paris. Dort aber war auf die Schnelle kein Termin zu haben. Weshalb die erste Dienstreise der Neuen nun ausgerechnet nach Nairobi führt - auf einen Kontinent, mit dem die Wirtschaftsbeziehungen alles andere als gut sind. Zwei Prozent des deutschen Außenhandels entfallen auf Länder südlich der Sahara, davon allerdings der Löwenanteil auf das halbwegs prosperierende Südafrika. Für Länder wie Kenia, Tansania, Uganda, Botswana, Namibia, Nigeria bleiben noch satte 0,4 Prozent. "Deutschland will Ihrem Kontinent gerne helfen", sagt Zypries bei einer Konferenz in Nairobi. "Wir sind an Ihrer Seite." Das verlange aber in vielen Staaten mehr Rechtssicherheit.

Bahnbrechende Entscheidungen stehen nicht an. Außer: Handelsfragen

Alles an diesem Besuch ist improvisiert. Ganz ursprünglich sollte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier an der deutsch-afrikanischen Wirtschaftskonferenz teilnehmen; lange, bevor er als Anwärter auf das Amt des Bundespräsidenten galt. Doch mit dem Minister-Karussell in Berlin fiel die Aufgabe an seinen Nachfolger Sigmar Gabriel, den Vorgänger von Zypries im Wirtschaftsministerium. Erst zwei Tage vor dem Abreisetermin entschied der, dass er die Reise nicht antritt. Vieles läuft dieser Tage unrund im Bundeskabinett. So musste Brigitte Zypries ran.

Diese Rolle ist ihr alles andere als unbekannt. Drei Jahre war sie Gabriels Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Eigentlich ein undankbarer Job: Die Parlamentarischen Staatssekretäre, die nebenbei noch einen Sitz im Bundestag haben, werden zwar in viele Entscheidungen einbezogen, können aber selbst wenig entscheiden. Wenn ein Sigmar Gabriel Vertretung braucht, müssen sie ran. So wie jetzt in Nairobi.

Andererseits kennt so ein Staatssekretär das Ministerium von innen, die Themen, die Strukturen, die Probleme. "Ich muss jetzt keinen totalen Schwenk machen", sagt Zypries. Schließlich habe sie ja drei Jahre lang die Politik mit entworfen. Obendrein habe sie sich mit Kernthemen des Ministeriums ja auch schon als Staatssekretärin befasst: mit der Digitalisierung etwa, der Industrie 4.0, der Förderung von Start-ups. Koordinatorin für die Luft- und Raumfahrt war sie auch; selbst in Afrika war sie in der Funktion unterwegs, mit einer Wirtschaftsdelegation.

Bahnbrechende Entscheidungen zeichnen sich für die letzten Monate der Legislaturperiode nicht ab. Wenn etwas brennt, dann sind es Handelsfragen. Zypries will nach Washington reisen, dort auch Gespräche über das Freihandelsabkommen TTIP führen, das die Europäer gerne mit den USA abschließen würden. Zypries hat die Hoffnung darauf noch nicht völlig aufgegeben, trotz aller protektionistischen Rhetorik eines Donald Trump. Und dann ist da noch ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt: Frauen und Wirtschaft. "Da werde ich mehr machen", sagt Zypries.

Was dann wieder zurückführt in die Markthalle in Nairobi, in der sich mittlerweile ein feiner Fischgeruch breit macht. Denn den ganzen Schmuck, die Schlüsselanhänger, die Schnitzereien, die bei Jane Wambui so ausliegen, die hat nicht irgendwer gemacht, sondern eine Frauenkooperative. Rund 100 Frauen arbeiteten darin zusammen, sagt Wambui. "Wenn alle beschäftigt sind, ist das Leben besser", sagt sie. "Dann gibt es zu Hause weniger Streit." Während sie am Stand ihre Preise verteidigt, arbeitet ihr Mann als Drucker.

Die zehn Schlüsselanhänger übrigens sind nicht für irgendwen, sondern für notleidende Mädchen in Berlin. Zypries unterstützt ein Projekt, in dem Mädchen unterkommen, die aus irgendeinem Grund ihr Zuhause verlassen müssen. Die neue Ministerin sorgt vor: Die Schlüsselanhänger sind für den nächsten Adventskalender.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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