Bestechung:VW erneut unter Verdacht

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Der Automobilbranche steht möglicherweise ein neuer Korruptionsskandal bevor: Der französische Zulieferer Faurecia soll die Einkäufer mehrerer Konzerne bestochen haben. Mit im Blickfeld steht wieder VW.

Hans Leyendecker

Nachdem bereits im Vorjahr in München Zulieferer aufgeflogen waren, die drei inzwischen vom Unternehmen entlassene Einkaufsmanager von BMW bestochen haben sollen, rollt jetzt die Frankfurter Staatsanwaltschaft einen Fall auf, der eine Reihe von Autokonzernen betreffen soll.

Mitarbeiter zahlreicher Autokonzerne sind möglicherweise in einen neuen Korruptionsskandal verwickelt. (Foto: Foto: ddp)

Mitarbeiter der pfälzischen Niederlassung des französischen Autozulieferers Faurecia, die auch in den Münchner Fall verwickelt ist, stehen im Verdacht, Einkäufer mehrerer europäischer Autokonzerne bestochen zu haben. Faurecia ist weltweit einer der führenden Hersteller von Cockpits, Abgasanlagen und Innenausstattung.

Mitarbeiter von VW und Audi angeblich geschmiert

Nach übereinstimmenden Berichten von Frankfurter Rundschau und Spiegel sollen auch Mitarbeiter von VW und Audi angeblich geschmiert worden sein. Ein in Untersuchungshaft sitzender Faurecia-Manager soll eingeräumt haben, jährlich 600.000 bis 800.000 Euro Bargeld weitergereicht zu haben. Auch sollen Urlaubsreisen und Wohnungseinrichtungen spendiert worden sein. Ein Audi-Mitarbeiter soll 160.000 Euro bekommen haben. Bei einem vor Jahren pensionierten VW-Bereichsleiter geht es um Zahlungen in Höhe von 139.000 Euro, die er bar erhalten haben soll.

Geld soll auch an Seat-Mitarbeiter geflossen sein. "Fast alle sind drin", sagt ein Insider. "Fest steht nur, dass Peugeot und Citroen nicht drinstecken, weil sie mit Faurecia verbandelt sind". Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen einigen Managern die Wohnungseinrichtung, sogar Bordellbesuche und auch Spendenpartys, bei denen sie als Wohltäter auftraten, bezahlt worden sein.

Für Europas größten Autobauer ist der Fall Faurecia besonders unangenehm. VW-Vorstandsvorsitzender Bernd Pischetsrieder hat sich persönlich eingeschaltet und ließ sich über Details informieren. Einerseits war der VW-Manager, der 139.000 Euro kassiert haben soll, einst in der Hierarchie vergleichsweise weit oben angesiedelt. Zum anderen leidet der Konzern unter den Auswirkungen einer Korruptionsaffäre, die im vergangenen Jahr publik geworden war.

"Wie Könige gebärdet"

Verstrickt ist darin unter anderem der frühere VW-Personalvorstand Peter Hartz, dem eine Anklage wegen der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern droht. Nach Bekanntwerden der so genannten Lustreise-Affäre hatte der VW-Vorstand Anfang dieses Jahres zwei Ombudsleute ernannt, an die sich Mitarbeiter bei Korruptionsverdacht wenden können und die dann Hinweisen nachgehen. Pischetsrieder will hart gegen die Sünder im eigenen Haus, aber auch gegen Unternehmen vorgehen, die Mitarbeiter schmieren.

Wie viele Manager anderer Autokonzerne in die Affäre verwickelt sind, steht noch nicht fest. Bei Durchsuchungen und Beschlagnahmungen im Frühjahr dieses Jahres waren hessische Fahnder auf Hinweise gestoßen, dass Mitarbeiter etlicher Autokonzerne Geld schwarz kassiert haben sollen. Die Fahnder gehen davon aus, dass der französische Autozulieferer im Gegenzug bei Aufträgen bevorzugt wurde.

Einige der Mitarbeiter in den Beschaffungsabteilungen der Autokonzerne hätten sich "wie Könige gebärdet", sagt ein Ermittler. "Wenn bei denen ein Zulieferer in Ungnade fällt, ist Feierabend". Die geplanten Auto-Allianzen haben den Druck auf die Zulieferer noch erhöht. So beraten seit einer Weile die Spitzenmanager von General Motors und Renault-Nissan über eine Allianz, die die globale Autoindustrie neu ordnen würde. Allein dieser Verbund käme auf einen Marktanteil von 25 Prozent.

Großkunden VW-Gruppe, Daimler Chrysler, Ford, BMW

Faurecia ist mit elf Milliarden Euro Umsatz und etwa 60.000 Beschäftigten weltweit einer der größten Zulieferer der Autoindustrie. Etwa ein Viertel seines Gesamtumsatzes erzielt das Unternehmen in Deutschland. Zu seinen Großkunden gehören die VW-Gruppe, Daimler Chrysler, Ford und BMW.

Auf Unregelmäßigkeiten bei Faurecia waren Betriebsprüfer bei Sichtung von Unterlagen der 2003 gegründeten Niederlassung im pfälzischen Hagenbuch aufmerksam geworden. Mitarbeiter des Autozulieferers konnten ungewöhnlich hohe und viele Bargeldzahlungen sowie mehrere Buchungen nicht plausibel erklären. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft prüft jetzt, ob deutsche Faurecia-Manager im Einverständnis mit dem Mutterhaus in Frankreich handelten. Verdächtige Korrespondenz wird noch ausgewertet.

© SZ vom 24.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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