Berlin:Das Anti-Start-up

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Das Berliner Start-up Expondo bietet Maschinen und Werkzeuge für professionelle Nutzer an. (Foto: oh)

Expondo verkauft Maschinen und Werkzeuge für Profis - und das mit einigem Erfolg: Von Anfang an hat die Firma profitabel gearbeitet und ist rasant gewachsen. Doch anders als viele Start-ups haben sich die Gründer nie um Aufmerksamkeit bemüht.

Von Nils Wischmeyer, Berlin

Das Berliner Start-up Expondo ist anders. Es gibt keine Auftritte bei Wettbewerben, kein Geprahle, das nächste Amazon oder Uber zu sein, keine Finanzierung im Millionenbereich. Die Gründer Piotr Stach und Waldemar Moss, beide 36, wollen nicht in den Massenmarkt, sondern in die Nische. Sie wollen keine Investoren, sondern haben einen Bankkredit aufgenommen. Und anders als die meisten "Vorzeige-Start-ups" sind sie seit dem ersten Tag profitabel, schreiben Umsätze in Millionenhöhe und wachsen organisch. Ihre Geschichte ist bemerkenswert - gerade in Berlin, wo fast alle eher auf kreditfinanziertes Wachstum setzen, auf "Angel-Investoren" und das "nächste große Ding".

Begonnen hat diese Geschichte vor 36 Jahren. Geboren in Polen, wachsen Waldemar Moss und Piotr Stach in Berlin-Neukölln auf. Mit 16 Jahren werden sie Freunde und beginnen, das Internet zu entdecken. Sie kaufen Felgen und Autoreifen über Ebay-Kleinanzeigen günstig auf, reinigen sie und verkaufen sie dann teurer weiter. "Damit haben wir schnell 200 Prozent Erträge gemacht", sagt Stach. Moss studiert erst deutsch-polnisches Recht, wird dann aber Kriminalkommissar, Stach studiert BWL. Doch schnell wird klar, dass man mit Autoreifen zwar sein Studium finanzieren konnte, nicht aber seinen Lebensunterhalt.

Sie machen sich auf die Suche nach etwas Neuem. Fündig werden sie in Nischen. Denn Kranwagen, Küchen- oder Schweißgeräte für Profi-Handwerker gibt es bis dahin nur vereinzelt in Online-Shops oder bei Ebay-Kleinanzeigen. Will ein Koch oder Bauarbeiter eine größere Auswahl haben, muss er in einen Baumarkt gehen. "Aber wer schon mal in einem Obi war und nach einem Schweißgerät gesucht hat, weiß: das bringt nichts", spottet Moss. "Die können noch Farben auseinanderhalten, aber bei Details zu Schweißgeräten hört es auf."

Moss und sein Geschäftspartner wollen eine Alternative sein, ein Fachgeschäft mit Beratung im Online-Handel. Sie gründen Expondo, einen Online-Shop für Profigeräte. 2007 fliegen sie mit ihrem Ersparten nach China. Dort handeln sie Deals mit Fabriken aus, lassen Geräte bauen und ihr Logo aufdrucken. "Während wir uns anfangs auf Standard-Produkte konzentriert hatten, haben wir nach und nach unsere Eigenmarken geschaffen", sagt Stach. Nach wenigen Monaten ist die erste Lieferung aus China ausverkauft, die folgenden ebenso. In ihrem Online-Shop verkaufen sie Schlüsselboxen, Sandwich-Toaster aber auch Brutapparate, Spiegel oder Büromöbel. Schon bald ordern Stach und Moss Geräte aus unterschiedlichen Kategorien in großen Containern. In China beschäftigen sie heute 40 Mitarbeiter, um die Qualität jedes Geräts zu prüfen. Ist später doch etwas kaputt, wird es nach Polen geschickt, wo sie mehr als ein Dutzend Menschen in einem eigenen Reparatur-Service beschäftigen. Reibungslos läuft beides offenbar nicht immer. Im Internet beschweren sich Kunden, dass Ware nach wenigen Monaten kaputt ging und die Reparatur oft nur gegen Geld möglich sei. Ein Nutzer schreibt: "Man bekommt Ware, die den Anforderungen nicht entspricht." Bei Trustpilot, einer Seite für Verbraucherprüfungen, bekommt Expondo nur zwei von fünf Sternen.

Anders als viele andere Start-ups ist Expondo früh profitabel gewesen

Dennoch: Aus dem anfangs noch schmalen Angebot ist ein Online-Shop mit tausenden Produkten geworden. Mittlerweile lässt Expondo Geräte nach eigenen Vorstellungen entwickeln, etwa mit längeren Kabeln, anderen Knöpfen oder einem veränderten Aufbau. Allein 2018 haben die beiden Bastler 1500 Geräte entworfen, die dieses Jahr in Produktion gehen sollen.

Analog zur Anzahl der Geräte wuchs die Firma deutlich, zuletzt sogar um 40 oder 50 Prozent jährlich. Der Umsatz stieg auf fast 40 Millionen Euro, der Gewinn liegt eigenen Angaben zufolge im zweistelligen Millionenbereich. Während viele Start-ups vom ersten Tag an eine Kommunikationsagentur beauftragen, sich auf Messen und Wettbewerben tummeln, steckten Moss und Stach das Geld in die Firma. Immer wollten sie das System verbessern, um einen Vorsprung vor den anderen zu haben: "Man kann versuchen uns zu kopieren, aber wir haben zehn Jahre lang eine perfekte Lieferkette aufgebaut. Da kommt keiner so schnell ran", sagt Moss. Natürlich gibt es viele Wettbewerber in den einzelnen Sparten. Teils sind es auch sehr etablierte Marken, gegen die Expondo ankommen muss. Aber ein so umfassendes Sortiment wie sie es in ihrem Shop haben, das gibt es anderswo noch nicht, behaupten die beiden Gründer.

Der nächste Schritt ist nun der Ausbau einer günstigen Fachberatung. Günstig ist sie, weil die Gründer dafür keine Experten einstellen wollen. Vielmehr setzen sie auf ehemalige Kunden als Berater. Hat jemand etwa in Paris ein Schweißgerät gekauft, soll er anderen Kunden aus der Region erklären, warum sie genau dieses Gerät kaufen sollten. "Wenn der Verkauf zustande kommt, kriegt der Berater eine Provision", sagt Stach. Damit die Beratung trotzdem fair bleibt, sollen die Berater von den Kunden benotet werden. So wollen die Gründer ausschließen, dass die Beratung allein provisionsgetrieben ist.

Die Gründer Moss und Stach sind trotz ihres Erfolgs unzufrieden. Zu viele Geräte fehlen ihnen noch, zu lückenhaft sei ihr Sortiment. In Zukunft wollen sie mehr Geräte zur Verfügung stellen. Zwar schließen die beiden nicht aus, dafür irgendwann doch noch mit einem Investor zusammenzuarbeiten, doch lieber wäre ihnen ein herkömmlicher Kredit von einer Bank. Expondo ist eben ein bisschen anders als die anderen Start-ups.

© SZ vom 14.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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