BenQ-Chef im Interview:"Wir sind gute Menschen"

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BenQ-Chef K.Y. Lee rechtfertigt die Insolvenz der Mobilfunksparte von Siemens im Jahr 2006 - und sieht die Taiwanesen als Opfer.

Janis Vougioukas

K.Y. Lee, 56, ist Vorstandschef des taiwanesischen Elektronikkonzerns BenQ. In wenigen Jahren verwandelt er das junge Unternehmen in einen der führenden Technologiekonzerne des Landes. Im Jahr 2005 übernahm BenQ die angeschlagene Mobilfunksparte des Münchner Siemens-Konzerns und wurde damit auf einen Schlag zum sechstgrößten Handyhersteller der Welt.

BenQ-Chef K.Y. Lee: Die Öffentlichkeit hat auf die Insolvenz der ehemaligen Siemens-Handy-Sparte sehr emotional reagiert (Foto: Foto: oH)

K.Y. Lee war der gefeierte Retter aus Asien. Nur ein Jahr später ging BenQ Mobile Deutschland in die Insolvenz. 3000 Mitarbeiter wurden damals allein in den Werken in München und Kamp-Lintfort entlassen. Kritiker warfen dem Unternehmen vor, die Schließung der beiden deutschen Fabriken von Anfang an geplant zu haben.

SZ: Nach der gescheiterten Übernahme von Siemens Mobile haben Sie in Deutschland kein einziges Interview gegeben. Warum?

K.Y. Lee: Die Öffentlichkeit hat auf die Insolvenz der ehemaligen Siemens-Handy-Sparte sehr emotional reagiert. Damals waren wir der Ansicht, dass BenQs Sichtweise in dieser Lage nicht auf Gehör stoßen würde. Und intern war das natürlich auch ein Schock. Es dauerte, bis die Situation sich etwas beruhigt hatte.

SZ: Was ist seitdem passiert?

Lee: Das alles ist jetzt zwei Jahre her. Wir haben damals sehr gelitten. Die Medien haben uns geradezu bombardiert. Seitdem haben wir die Firma grundlegend umgebaut. Und wir haben dabei große Unterstützung durch unsere Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner erfahren. So konnten wir wieder aufstehen. Ich glaube, wir haben in den vergangenen zwei Jahren große Fortschritte erzielt.

SZ: Das klingt, als seien Sie damals das Opfer gewesen.

Lee: Ja, das sehen wir heute so und lassen das gerade in einem Schiedsverfahren klären. Mehr möchte ich dazu angesichts des laufenden Verfahrens nicht sagen. Im Übrigen gilt: Nobody is perfect. Natürlich haben wir unser Bestes getan und alles Mögliche probiert, um Siemens Mobile zu retten. Wir haben dabei aber auch unserem deutschen Management vertraut. Als beide Organisationen fusionierten, haben wir das alte Siemens-Management behalten. Wir haben Siemens sogar gebeten, uns zu helfen, die Führungskräfte der Mobilfunksparte zu behalten. Siemens hatte uns gegenüber versichert, dass es sich bei diesem Management um die richtigen Leute handeln würde.

SZ: Sie haben damals rund 3000 Mitarbeiter in Deutschland entlassen. Der öffentliche Ärger war gewaltig. Viele Mitarbeiter haben Ihnen vorgeworfen, dass die Entscheidung in "geheimen Sitzungen" in Taiwan gefallen sei. Und in Deutschland mussten viele aus den Medien erfahren, dass sie ihren Job verlieren werden.

Lee: Der CEO unseres Mobilfunkgeschäfts war ein Deutscher, ein ehemaliger Siemens-Mitarbeiter. Wir haben ihm vertraut. Jedes Quartal ist er nach Taipeh gekommen, um unseren Vorstand zu treffen. Damals haben wir in Taiwan alles versucht, um das Geschäft zu stützen. Und trotzdem fiel uns auf, dass sich Produktentwicklung und Markteinführung immer wieder wesentlich verzögern. Das war eines der größten Probleme.

SZ: Aber das hatten Sie doch schon bei der Übernahme erkannt. Zumindest hatten Sie gleich danach in einem Interview kritisiert, dass die Entwicklung neuer Produkte zu lange dauert...

Lee: Das ist richtig! Die lange Produktentwicklungsdauer war bekannt, die wollten wir verkürzen. Allerdings wussten wir bei der Übernahme nicht, dass Siemens nicht einmal seine eigenen Zeitpläne einhalten konnte. Durch die zu lange Entwicklungsdauer konnte wir nur verspätet auf Markttrends reagieren.

SZ: Wenn Sie das Problem so früh erkannt hatten - warum haben Sie es nicht behoben?

Lee: Wie bereits gesagt, es handelt sich um zwei grundsätzlich verschiedene Probleme. Im Hinblick auf die zu lange Entwicklungsdauer haben wir gleich nach der Übernahme begonnen, die Prozesse zu verändern und effizienter zu gestalten. Bereits das ist ein langwieriges Verfahren, aber wir haben wesentliche Erfolge erzielen können. Im Hinblick auf das zweite Problem - die Überziehung der Zeitpläne - muss man wissen, dass die Entwicklung neuer Handys mindestens ein Jahr dauert.

Entgegen der Angaben von Siemens mussten wir feststellen, dass das neue Handy viel zu spät auf den Markt kam und damit ein Misserfolg wurden. Diese Mobiltelefone waren alle von Siemens entwickelt worden und befanden sich bei der Übernahme in ihrer letzten Projektphase. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir die Verzögerung nicht mehr verhindern.

Auf der nächsten Seite: Warum BenQ bei Siemens scheiterte.

SZ: Gab es Kommunikationsprobleme, kulturelle Probleme - woran scheiterte die Verschmelzung beider Firmen?

Lee: Wir haben unser Bestes getan. Wir haben viele Ingenieure aus Taipeh und China nach Deutschland geschickt, die Zusammenarbeit lief gut. Dass wir dennoch letztendlich leider nicht erfolgreich waren, hatte einen anderen Grund: Wir haben erst spät im Jahr 2006 erkannt, dass sich Siemens Mobile zum Zeitpunkt der Übernahme in einem Abwärtstrend befand, den wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht umkehren konnten.

SZ: Siemens Mobile hat zum Zeitpunkt der Übernahme jeden Tag rund eine Million Euro Verlust gemacht. Selbst Siemens konnte das Geschäft nicht retten - was wollten Sie anders machen?

Lee: Wir gingen davon aus, dass das Geschäft aufgrund von Maßnahmen, die laut Siemens eingeleitet worden waren, vor dem Turnaround stand. Um diese Entwicklung nachhaltig zu unterstützen, wollten wir die Effizienz steigern, die Geschwindigkeit bei der Produktentwicklung erhöhen, Kosten reduzieren und auch neue Produkte einführen, die in Asien entwickelt wurden, um die Attraktivität der Produktpalette zu erhöhen. Natürlich gab es noch andere Problemthemen: Die Fabriken in Deutschland . ..

SZ: Arbeiten die Deutschen nicht so fleißig wie die Chinesen?

Lee: (lacht) Ich habe immer gesagt, dass wir nie erwartet haben, dass die Menschen im Westen so lang arbeiten wie im Osten. Jede Gesellschaft hat ihren eigenen Lebensstil. Trotzdem sind wir davon ausgegangen, dass die hohen Kosten auch höhere Profitmargen erwirtschaften und dort Premiumprodukte produziert werden. Das war jedoch leider nicht der Fall.

SZ: Der damalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld ist davon ausgegangen, dass die Sanierung von Siemens Mobile rund vier Milliarden Euro kosten wird. Wann haben Sie gemerkt, dass Ihre Kalkulation nicht aufgeht?

Lee: In der zweiten Hälfte des Jahres nach der Übernahme haben wir gemerkt, dass es wesentlich teurer werden würde als wir erwartet hatten. Wir wussten nicht genau, wie teuer. Nur dass es uns sehr viel mehr kosten würde, als wir damals schultern konnten.

SZ: Warum haben Sie sich überhaupt für Siemens interessiert? Handys hatte BenQ ja vorher schon ohne fremde Hilfe produziert.

Lee: BenQ galt damals als eine der erfolgreichen jungen Marken und Technologiefirmen. Und wir wollten unsere Produktpalette erweitern, um eine starke globale Marke zu werden. Die Mitarbeiter in Deutschland waren gute Leute, die gute Arbeit gemacht haben. Siemens Mobile war in 70, 80 Ländern aktiv.

Deutsche Handwerkskunst ist angesehen, das Design der Produkte war gut - das alles schien zu uns zu passen. Und Siemens hatte enge Beziehungen mit den Netzanbietern aufgebaut - das ist im Handygeschäft sehr viel wert. Trotzdem waren wir uns darüber im Klaren, dass es Zeit brauchen würde, die Firmen miteinander zu verschmelzen. BenQ war damals noch eine sehr junge Firma.

SZ: Als BenQ sich so plötzlich aus Deutschland zurückzog, gab es auch die Vorwürfe, dass BenQ die Insolvenz von Anfang an geplant hatte. Und dass Sie sich nur für die deutschen Patente, Lizenzen und Maschinen interessiert hätten. Stimmt das?

Lee: (lacht) Das wäre teuer gewesen. Siemens Mobile hat uns über 850 Millionen Euro gekostet, inklusive der Verluste, die wir durch die Übernahme gemacht haben. Und hätte ich den darüber weit hinausgehenden Imageschaden für unsere Firma freiwillig in Kauf genommen? Wenn das unser Ziel gewesen wäre, hätten wir doch besser einen anderen Firmennamen benutzt. Das ist wirklich totaler Quatsch! Wir sind gute Menschen.

SZ: Der Eindruck entstand, weil BenQ drei Wochen vor dem Konkurs Maschinen und Ausrüstung in Kamp-Lintfort abgebaut und nach Asien geschifft hat. Das zumindest sagen die Gewerkschaften...

Lee: Das stimmt so nicht. Von Anfang an war geplant, einen Teil der Produktionskapazität nach China zu verlagern. Das betraf auch einen kleinen Teil der Produktionsanlagen.

SZ: BenQ hat inzwischen seinen Namen in Qisda geändert. Die Marke BenQ taucht kaum noch auf. War der Name verbrannt?

Lee: Der Vorstand hatte die Umbenennung in Qisda bereits vor der Übernahme von Siemens Mobile geplant. Genau genommen handelte es sich jedoch nicht um eine Namensänderung, sondern eine Abspaltung. In Qisda haben wir unsere Auftragsproduktion gebündelt.

SZ: Trotzdem ist es in Deutschland sehr still um BenQ geworden. Werden wir die Marke in Zukunft noch sehen?

Lee: Unser IT-Geschäftsbereich in Hamburg ist immer noch in Deutschland aktiv, der war nicht von der Insolvenz betroffen. Natürlich hat das Markenimage unter der Insolvenz gelitten. Doch in den vergangenen zwei Jahren haben wir unser Geschäft wieder aufgebaut. Wir konzentrieren uns jetzt mehr auf die Kundenbeziehungen.

SZ: Was bedeutet das genau?

Lee: Natürlich hat die ganze negative Berichterstattung der Firma und dem Image geschadet. Ich glaube aber, dass wir das Kundenvertrauen inzwischen wieder gewonnen haben.

SZ: Konzentrieren Sie sich wieder mehr auf Ihre Heimatregion?

Lee: Die chinesische Wirtschaft entwickelt sich schnell, deshalb erfordert sie auch einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit. Auch im Mittleren Osten wachsen wir schnell und in den ganzen Boomregionen wie Russland und Lateinamerika. 70 Prozent unseres Umsatzes machen wir inzwischen dort.

SZ: Wie wichtig ist heute das Handygeschäft für BenQ?

Lee: Wir konzentrieren uns inzwischen nicht mehr auf reine Telefone. Wir glauben an die Zukunft. Die Kunden verlangen nach Datendiensten und wollen mehr.

SZ: Wie wird die globale Finanzkrise Ihr Geschäft beeinflussen?

Lee: Es gab bisher keine Krise, die sich so schnell auf der ganzen Welt ausgebreitet hat. Niemand weiß, was passiert.

© SZ vom 04.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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