Bekämpfung der Wirtschaftskrise:"Europäische Schwächen"

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US-Präsident Obama will, dass Europa mehr Verantwortung bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise übernimmt - und mehr Geld investiert. Die Eurogruppe weist das zurück.

Cerstin Gammelin

Die USA verlangen von Europa, mehr Geld in die Ankurbelung der Weltkonjunktur zu investieren. US-Präsident Barack Obama kritisierte "europäische Schwächen". Sein Chefberater Lawrence Summers forderte von allen Industrieländern koordinierte Anstrengungen, um die globale Nachfrage zu stimulieren.

US-Präsident Barack Obama fordert von den EU-Ländern einen stärkeren Beitrag zur Bekämpfung der Krise. (Foto: Foto: AP)

Europa muss damit rechnen, dass die Amerikaner ihre Forderungen nach mehr Geld und besserer globaler Koordinierung bereits in drei Wochen auf den Tisch legen. Am 2. April treffen sich die Chefs der 20 mächtigsten Volkswirtschaften (G20) in London. Der von den Europäern angeregte Gipfel sollte ursprünglich genutzt werden, um weitere Schritte für die angestrebte neue globale Finanzmarktaufsicht zu beraten. Ein erstes Treffen fand dazu im Januar in Washington statt. Doch jetzt wollen die USA die Tagesordnung erweitern.

"Der richtige ökonomische Schwerpunkt des Treffens ist die Stimulierung der Nachfrage. Die Welt braucht mehr globale Nachfrage", erklärte Chefberater Summers einen Tag nach Obamas Europa-Kritik. Die USA und China könnten den weltweiten Konsum trotz riesiger Konjunkturpakete nicht allein ausreichend stimulieren, um für Wachstum und sichere Arbeitsplätze zu sorgen. Alle Industrieländer müssten ihre Verantwortung wahrnehmen und mit noch mehr staatlichem Geld den Konsum ankurbeln. "Das ist eine wirklich globale Agenda", sagte Summers.

Gelassenheit in Brüssel

Kurz zuvor hatte der amerikanische Präsident Obama in der New York Times erklärt, er gehe davon aus, "dass wir die Grundpfeiler einer Erholung in diesem Jahr errichten können". Wann die anziehende Konjunktur den Arbeitsmarkt erreiche, hänge auch davon ab, ob andere Länder ähnliche Schritte unternähmen. "Denn zum Teil geht das, was wir zur Zeit beobachten, auf Schwächen in Europa zurück, die größer sind als einige unserer eigenen und die sich in der Rückkoppelung auf unsere Märkte auswirken", sagte Obama.

Die Europäische Kommission wies die Kritik gelassen zurück. "Europa hat gut, schnell und umfassend auf die Krise reagiert", sagte der Sprecher von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf Anfrage. Die Europäer hätten bereits Vorschläge für die neue Finanzmarktarchitektur auf den Tisch gelegt. Anders als die USA, die ihr Konjunkturprogramm beschlossen, aber noch nicht umgesetzt hätten, würden die Programme in Europa bereits wirken. Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia zeigte sich offen, die Tagesordnung des G-20-Gipfels zu erweitern. "Wir haben die Möglichkeit, alle Fragen in London zu besprechen", sagte seine Sprecherin.

Auch die Finanzminister der Euro-Zone wiesen die Forderungen aus der US-Regierung zurück. Diese Appelle seien nicht überzeugend, sagte der Chef der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Finanzminister Jean-Claude Juncker, am Montag in Brüssel. "Wir sind nicht bereit, die Konjunkturpakete auszuweiten."

Die Kritik der USA entzündet sich an den Wachstumsimpulsen, die durch die Konjunkturpakete ausgelöst werden sollen. Das gerade in den USA vom Kongress verabschiedete Programm soll noch 2009 das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um zwei Prozentpunkte stimulieren. Das entspricht der Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der kürzlich einen globalen Wachstumsimpuls von zwei Prozentpunkten forderte. Diese Vorgabe erfüllt auch das chinesische Programm.

"Die Kritik aus Washington ist richtig"

Die europäischen Anreize fallen wesentlich kleiner aus. Die EU-Kommission beziffert den Wachstumsimpuls zwar auf 3,5 Prozentpunkte des BIP. Dieser Wert wird rechnerisch nur erreicht, weil Brüssel auch öffentliche Darlehen sowie steuerliche Minderbelastungen und höhere staatliche Ausgaben, die sich aus der Krise ergeben, einbezieht.

Tatsächlich schätzen Experten wie der Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, Jean Pisani-Ferry, den Effekt der europäischen Konjunkturprogramme auf 0,9 Prozentpunkte des BIP. "Die Kritik aus Washington ist richtig", sagte er. Dass die Impulse so unterschiedlich ausfielen, liege an der europäischen Zersplitterung. Jedes EU-Mitgliedsland hoffe im Stillen darauf, dass die Nachbarn viel Geld investierten und das eigene Land profitiere. Negativ wirke sich aus, dass Länder mit finanziellen Schwierigkeiten wie Irland, Griechenland, Österreich oder Italien von Finanzmanagern misstrauisch betrachtet würden und höhere Aufschläge für Staatsanleihen zahlen müssten. Damit fehle das Geld für nationale Konjunkturprogramme.

Die Forderung nach stärkeren Konjunkturanreizen stand zunächst nicht auf der Tagesordnung der EU-Finanzminister, die an diesem Montag zu zweitägigen Beratungen nach Brüssel kommen und auch das G-20-Treffen Anfang April vorbereiten sollen. Ein EU-Diplomat zeigte sich von der Kritik aus Washington unbeeindruckt. "Die Krise lösen wir in jedem Fall nur, wenn wir alle zusammenarbeiten", sagte er kurz vor Beginn des Treffens. Bisher halte die EU an ihrer Vorbereitung des G-20-Gipfels wie geplant fest. Änderungen seien jedoch niemals ausgeschlossen.

© SZ vom 10.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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