Bei uns in Tokio:Spielwiese zwischen Wolkenkratzern

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Sicher hat Tokio auch seine schönen Seiten, seine zauberhaften Orte. Man muss sie nur noch finden. Wobei: Eine Ausnahme gibt es. Eine skurrile Event-Wiese im Hinokicho-Park.

Von Thomas Hahn

Eine der ersten Ausflüge nach dem Urlaub führte nach Roppongi. Denn in Roppongi ist ja immer was los. Wobei "immer was los" eine kleine Übertreibung ist. "Nicht ständig nichts los" trifft es wohl eher, wenn man als kritischer Tokio-Spaziergänger die Vorzüge des Stadtteils Roppongi im Sonderbezirk Minato beschreiben wollte. Auf der Wiese beim Hinokicho-Park wird halt immer wieder was aufgebaut, eine Installation, eine Bühne, solche Sachen. Und die Frage war, ob dort nach dem Weihnachtskitsch mit klingendem Blaulichtteppich, Kometenregen und weißen Seifenblasen im neuen Jahr ein ähnlich illustres Gelichter zu bestaunen sein würde.

Tokio ist eine seltsame Metropole, ein Tag mit ihr kommt einem manchmal vor wie ein besonders intensives Null:Null beim Fußball. Man ist kaputt danach, hat aber trotzdem nichts erlebt, worüber man sich freuen könnte, nur durcheinanderlaufende Menschen, rumpelnde Züge, lärmendes Einerlei. Bestimmt ist das Urteil ungerecht und in diesem mächtigen Häusermeer verbergen sich neben den üblichen Touristenattraktionen noch viele zauberhafte Orte, die alle erst gefunden werden müssen. Aber vorerst wirkt die Stadt vor allem wie ein dichter zugebauter Raum, in dem jeder nur vorbeigeht, arbeitet, einkauft, zwischendurch einen Imbiss in sich hineinschaufelt. Beton, Häuser, Reklame und immer wieder die gleiche städtische Grundausstattung: Spielhölle, Einkaufszentrum, Buchladen mit erschlagendem Manga-Angebot. Selten geht die Stadt einfach mal ins Grüne über oder lädt zum Verweilen ein.

Roppongis Hinokicho-Park ist da eine schöne Abwechslung, auch wenn er am Fuße des luxuriösen Midtown-Towers liegt inmitten einer teuren Wohngegend. Diese kleine grüne Oase in Tokios rastlosem Rauschen wird abends nicht abgesperrt wie andere Parks der Stadt. Hier kann man mal durchschnaufen, den Duft der Bäume genießen. Und dann ist da eben diese Event-Wiese. "Midtown-Christmas" hieß das Weihnachtsgelichter, das eine Juwelen-Firma aufgebaut hatte, obwohl dieses Lichter-Balett mit Weihnachten so viel zu tun hatte wie Sushi mit Topfenstrudel. Interessant. Davor hatte eine Modefirma an der Stelle irgendein klobiges Gebäude errichtet. Im Juli war die Wiese gar mit Kunstnebel als Sumpfgebiet verkleidet. Und jetzt? Da blinkt schon wieder was. Musik klingt aus der Ferne, weißes Licht, Schlittschuh-Schürfen, und irgendjemand prallt dumpf gegen eine Bande. Eine Eisbahn. Gleiten und Glück. Tokio ist manchmal doch schön.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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