Bei uns in Tokio:Bleib-daheim-Ferien

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In Japan beginnt die Goldene Woche, mit vielen Feiertagen. Doch aus Extrem-Sightseeing in Europa oder Muschelsammeln in Chiba wird dieses Jahr nichts.

Von Thomas Hahn

Die Goldene Woche heißt jetzt Stay-Home-Woche, und das ist fair. Man muss die Menschen in Tokio vor dem verführerischen Glanz der Gewohnheit schützen, denn natürlich versaut das Coronavirus auch ihnen den Urlaub. Dabei ist Urlaub in Japan ein knappes Gut und besagte Goldene Woche eine der längsten Freizeitperioden. Sie beginnt immer am 29. April, dem Geburtstag des Kaisers Showa. Es folgen die Tage der Verfassung (3. Mai), des Grüns (4. Mai), der Kinder (5. Mai). Zwischen Showa- und Verfassungstag nehmen viele frei, wenn ihre Firma nicht ohnehin zumacht. Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, wird er am 6. Mai nachgeholt, mit dem die Ferien dann spätestens enden.

Tokioter fahren in dieser Zeit gerne weg. Nach Chiba zum Muschelsammeln. Nach Kanagawa zum Surfen. Zu den Verwandten aufs Land. Zum Extrem-Sightseeing beim Pauschaltrip Italien/Österreich/Deutschland. Aber jetzt ist ja Virus-Notstand. Aus den klassischen Reisezielen Japans dringt die Bitte, nicht zu kommen. Und Tokios Gouverneurin Yuriko Koike hat mit den Kollegen aus Saitama, Chiba und Kanagawa die Goldene Woche umbenannt: eben in "Stay-Home-Shukan", Bleib-daheim-Woche.

Urlaubszeiten mit einem aussagestarken Markennamen zu versehen, das könnte auch das Bewusstsein für andere Weltkrisen schärfen. Save-the-Planet-Ferien, Me-Too-Week. Aber daraus wird wohl nichts. Die Folgen von Klimawandel und Geschlechterungleichheit scheuchen die Masse nicht so auf wie die Ängste vor einer ansteckenden Krankheit. Selbst die Gouverneurin Koike, gelernte Arabisch-Dolmetscherin, braucht das Gefühl der unmittelbaren Bedrohung, um richtig in Fahrt zu kommen. Im Vergleich zum zögerlichen Premierminister Abe ist sie gerade die bessere Krisenmanagerin. Bei ihren Pressekonferenzen strahlt sie die Sicherheit einer freundlichen Feldherrin aus. Die Maske, die Frisur, die Ansagen - alles sitzt. Humor hat sie auch. Der Moderator nahm neulich die Meldung eines Fragestellers an, indem er sagte: "Sie da, mit der Maske." Yuriko Koike stellte trocken fest: "Alle tragen Maske."

Zaubern kann sie aber nicht. Manche Tokioter haben längst gebucht. Viele haben kleine Wohnungen. Wenige einen Garten. Ausgehverbote lässt Japans Gesetz nicht zu. Yuriko Koike kann nicht verhindern, dass einzelne in die Stay-Home-Ferien fahren - um dann auch woanders nicht auszugehen.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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