Bei uns in Rio:Mit viel Ruhe und schön scharf

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Dhiraj Kotai kam aus Indien nach Rio und hat sich eine absurde Businessidee einfallen lassen. Er kocht. Und zwar sehr langsam. Wer bei ihm bestellen will, sollte deshalb rechtzeitig anrufen.

Von Boris Herrmann

Dhiraj Kotai kam vor zwei Jahren nach Rio, weil er sich in eine Brasilianerin verliebt hatte. So etwa soll vorkommen. Kotai stammt aus Indien. Zu den ersten Dingen, die ihm in Brasilien auffielen, gehörte: Wie schön das Geld hier ist. Er fotografierte alle Scheine und Münzen ab und stellte die Bilder in seinen Blog. Das hatte er seinen Freunden zu Hause versprochen. Kotai hat einen engen Bezug zu Geld, er sagt, er habe in Indien so etwas wie BWL studiert. Das macht seine Geschichte noch ein bisschen interessanter. Denn Dhiraj Kotai, 35, hat vermutlich das absurdeste Businessmodell erfunden, das derzeit in Rio de Janeiro zu finden ist.

Das Zweite, was ihm in Brasilien auffiel, war: Wie schlecht das indische Essen hier ist. Kotai kocht gerne und er brauchte ei-nen Job. Er beschloss, eine Marktlücke zu besetzen.

Sein Lieferservice heißt "Namaste". Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie: "Ich ehre in dir den göttlichen Geist, den ich auch in mir selbst ehre, und ich weiß, dass wir somit eins sind." Man kann jedenfalls sagen, dass Kotai dem göttlichen Geist der indischen Slow-Food-Kultur alle Ehre erweist. Wer bei ihm bestellen will, sollte rechtzeitig anrufen. Mindestens fünf Stunden, bevor der Hunger kommt. Es gibt keine Speisekarte. Man bespricht mit Kotai am Telefon, was man gerne essen möchte. Hühnchen mit Cashewnüssen, zum Beispiel. Oder etwas mit Gemüse, das er "Vegetarian Delight" nennt. Die Auswahl der durchweg köstlichen Speisen, die Angabe der Lieferadresse, alles funktioniert auf Zuruf. Am Ende der Bestellung muss man Kotai nur eine SMS schicken, in der man den gewünschten Schärfegrad angibt. Das hätte er gerne schriftlich. Dann geht er einkaufen.

Eine Stunde plant Kotai dafür ein, um die Zutaten zu besorgen, die er für die individuell bestellten Gerichte benötigt. Drei Stunden braucht er, um zu kochen, zu schmoren und zu würzen. Eine Stunde rechnet er für die Lieferung. Im Feierabendverkehr können es auch zwei wer-den. Kotai kommt mit dem Omnibus.

Jedes Essen kostet 15 Reais, knapp 4,50 Euro. Das ist in einem Land, in dem die Supermärkte zwölf Reais für ein ordentliches Brot und mindestens 20 Reais für ein Stück Käse verlangen, nicht nur billig. Das ist fast geschenkt. Kotai nimmt fünf Reais extra für die Reisbeilage, dafür gibt es aber einen kostenlosen Salat dazu. Als Lieferpauschale berechnet er ebenfalls einen Fünfer. Die Busfahrt hin und zurück kostet 6,80.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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