Bei uns in New York:Liebesgrüße aus der Pizzaküche

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In New York gibt es eine moderne Weisheit: Du weißt, dass es Liebe ist, wenn dein Freund dir den Zugang zu seinem Konto bei Seamless gibt. Doch die Sache wird komplizierter.

Von Kathrin Werner

In New York gibt es eine moderne Weisheit: Du weißt, dass es Liebe ist, wenn Dein Freund oder Deine Freundin Dir den Zugang zu seinem/ihrem Konto bei Seamless gibt und Dich bestellen lässt, was auch immer Du willst. Seamless ist die Website beziehungsweise die App, mit der viele New Yorker ihr Essen zu sich nach Hause oder an den Büroschreibtisch bringen lassen. Man richtet sich ein Konto ein, hinterlegt die Kreditkartendaten und kann sich dann mit wenigen Klicks Pizza, Sushi, Burger oder fast jedes denkbare Mahl liefern lassen, derzeit machen in Manhattan genau 3997 Restaurants mit. Die Boten, meist per Fahrrad mit kleinem Elektromotor unterwegs, gehören zum Stadtbild. Und der Bringdienst gehört inzwischen so zur New Yorker Kultur, wie überfüllte U-Bahnen und die Bodega an der Ecke, bei der man mitten in der Nacht Klopapier und Cornflakes kaufen kann. Man liebt Seamless, weil es so praktisch ist. Aber man hasst es auch ein bisschen - schließlich steht der Service für das hektische Großstadtleben, wo man spät nachts Pizza isst, anstatt sich ein gepflegtes Dinner zu kochen.

Die Bringdienst-Branche boomt. Der einstige Seamless-Rivale Grubhub hat sich mit Seamless zusammen geschlossen und ist im vergangenen Jahr an die Börse gegangen ist. Er ist mehr als zwei Milliarden Dollar wert. Nun bekommt das Unternehmen, das einst den Lieferdienst in das Internetzeitalter gebracht hat, weil es möglich machte, verschiedene Restaurants mit einer App zu erreichen, mehr und mehr Konkurrenz. In den vergangenen Jahren sind Dutzende Start-ups hinzugekommen, die hungrige New Yorker verpflegen. Eat Arcade etwa, von denen der Kunde am Morgen eine SMS mit einem Menu-Vorschlag bekommt. Antwortet man "Yes", ist das Essen mittags da. Blue Apron ist eine Mischform: Das Unternehmen bringt eine gekühlte Box mit dem Rezept und alle Zutaten, vordosiert. Kochen muss man selbst.

Die meisten dieser Unternehmen sind von Wagniskapitalgebern finanziert. 3,2 Milliarden Dollar sind dem Marktforscher CB Insights zufolge in vier Quartalen in die Branche geflossen, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Allein Blue Apron ist nach diversen Venture-Capital-Runden mit zwei Milliarden Dollar bewertet. Marktbeobachter fürchten schon eine Lieferdienst-Blase. Und das Sprichwort ist nicht mehr so einfach: Es muss Liebe sein, wenn man den Zugang zum Konto von Eat Arcade, Seamless, Blue Apron, Delivery.com, Munchery, Plated, Fresh Dish, Plate-Joy, Spoon-Rocket oder einem anderen bekommt.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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