Bei uns in New York:Es darf wieder getanzt werden

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Etliche Gesetze aus der Zeit der Prohibition machen den New Yorkern das Leben schwer. Erst jetzt, fast ein Jahrhundert nach dem Ende der strengen Regeln für Alkohol, schafft die Stadt die absurden Verbote ab.

Von kathrin werner

New York, diese Stadt der Hochgeschwindigkeit und ständigen Neuanfänge, hat einige Schwierigkeiten, sich von der Vergangenheit zu verabschieden. Etliche Gesetze aus der Zeit der Prohibition machen den New Yorkern noch immer das Leben schwer. Erst jetzt, fast ein Jahrhundert nach dem Ende der strengen Regeln für Alkohol und sonstige Vergnüglichkeiten, schafft die Stadt die teils völlig absurden Verbote nach und nach wieder ab.

Ein Beispiel: Das Cabaret Law. Es hat Billie Holiday von Auftritten in der Stadt abgehalten und öffentliche Proteste von Frank Sinatra ausgelöst, als es 1926 eingeführt wurde. Es verbot Live-Musik in Clubs und Bars, und es verbot Club- und Barbesuchern das Tanzen. Viele Historiker sagen, dass den Stadtparlamentariern damals vor allem die Jazz-Clubs in Harlem ein Dorn im Auge waren, in denen schwarze und weiße Amerikaner miteinander tanzten - hinter dem Gesetz stecke vor allem Rassismus. Auftreten durften damals nur noch Menschen mit Cabaret-Lizenz, Tanzen nur in Betrieben mit Cabaret-Tanzlizenz.

Die Einschränkungen für Musiker sind längst aufgeweicht. Doch das Tanz-Verbot gilt und wird immer noch durchgesetzt. Eine Cabaret-Lizenz ist teuer und schwer zu bekommen, diverse Behörden müssen zustimmen, Fingerabdrücke werden abgenommen,nur in bestimmten Gegenden sind Lizenzbetriebe erlaubt. Es gibt in der ganzen Stadt gerade einmal 104 Etablissements mit Tanz-Lizenz - und das bei einer Gesamtzahl von 25 000 Restaurants und Kneipen. Anders als in Deutschland, wo ab einer gewissen Uhrzeit und einem gewissen Pegel manch Kneipe zur Behelfs-Disko wird, müssen New Yorker Barbetreiber dafür sorgen, dass die Gäste schön ruhig stehen und sitzen bleiben - und das in der Stadt, die als eine der Nightlife-Metropolen der Welt gilt.

Über die Jahrzehnte hinweg haben Barbetreiber, Bürgerrechtler und Stadtpolitiker immer wieder versucht, das Cabaret Law abzuschaffen. Durchgesetzt hat sich keiner. Es gibt darum diverse illegale Nacht-Clubs in Lagerhäusern. Eine Klage eines Barbetreibers aus Brooklyn läuft noch, der eine Geldbuße zahlen soll, weil seine Gäste zu Rock-Musik "schaukelten", wie die Polizei angab. Es gibt sogar eine Tanzparade, die einmal im Jahr durch die Stadt zieht als Protest gegen das Gesetz.

Nun hatten die Proteste Erfolg. 91 Jahre nach der Einführung des Gesetzes hat das Stadtparlament beschlossen, den Menschen das Tanzen zu erlauben. Langsam, sehr langsam, schafft New York die Prohibition ab. Auch andere verhasste Regeln, zum Beispiel strenge Auflagen für Brauereien und Schnapsbrennereien, sind bereits gelockert worden. Das hat einen regelrechten Boom ausgelöst. Seit 2001 ist die Zahl der Alkoholhersteller im Bundesstaat New York von 332 auf 1034 gestiegen. Etliche Gesetze gelten aber weiter, auch wenn sich ihr Sinn nicht unmittelbar erschließt: Supermärkte in New York zum Beispiel dürfen keinen Wein verkaufen, Bier dagegen schon.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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