Bei uns in London:Geschmort statt geräuchert

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Früher wurden die Fahrgäste in London von den Kohlefeuern der Dampfloks geräuchert. Heute plagt sie in der Tube, wie sie ihre U-Bahn nennen, vor allem etwas anderes.

Von Björn Finke

Es war eine Reise in die Vergangenheit: Am Wochenende zog eine Dampflok historische Waggons über einen Streckenabschnitt der District Line, einer der U-Bahnlinien Londons. Die Verkehrsbehörde feierte so den 150. Geburtstag der District Line. Diese Strecke ist aber nicht einmal die älteste der britischen Hauptstadt. Bereits 1863 nahm die Metropolitan Railway den Betrieb auf, die weltweit erste U-Bahn. Damals waberte der Rauch von Kohlefeuern der Dampfloks durch die Tunnel; Lokführer und Passagiere wurden kräftig geräuchert.

Inzwischen sausen die Züge der Tube, der Röhre, wie Londoner ihre U-Bahn nennen, natürlich mit Elektromotoren herum. Fahrgäste werden nicht mehr geräuchert - doch dafür langsam und nicht sehr schonend geschmort, vor allem im Sommer, also jetzt. Statistiken der Verkehrsbehörde zeigen, dass die Temperaturen in manchen Linien auf mehr als 30 Grad steigen.

Die Hitze ist am Schlimmsten auf jenen Strecken, die vor dem Ersten Weltkrieg gebuddelt wurden, tief unter der Erde und mit vergleichsweise schmalen Tunneln. So wurden in der Bakerloo Line einmal 31 Grad gemessen. Ein Grad weniger war es in der Central Line, die etwa die bei Touristen beliebte Shoppinghölle Oxford Circus mit der Kathedrale St. Paul's und dem Bankenviertel verbindet. Im Jahresdurchschnitt sind es in der Bakerloo Line kuschelige 27 Grad, in der Central Line 26 Grad. Wer mit diesen Zügen lange ins Büro pendelt, sollte am besten selbst im Winter einen leichten Sommeranzug tragen. Und wehe dem, der in den frostigen Monaten aus der warmen U-Bahnstation verschwitzt auf die Straße tritt: ein sicherer Weg, sich zu erkälten.

Quellen der Hitze sind Elektrik und Bremsen, Motoren und Menschen. Und es ist schwierig, in tief liegenden, engen Tunneln neue Belüftungsanlagen zu installieren, um Linderung zu schaffen. Immerhin verfügen die moderneren Züge im U-Bahnnetz inzwischen über Klimaanlagen. Allerdings geben diese wiederum Wärme an die Umgebung ab, an die ohnehin heiße Luft in den Tunneln und Bahnhöfen.

Die Verkehrsbehörde bleibt nicht untätig, investiert in kraftvollere Belüftungssysteme. Aber der Durchbruch lässt auf sich warten. An einem Mangel an Anreizen liegt es nicht: Schon im Jahr 2003 lobte der damalige sozialdemokratische Bürgermeister Ken Livingstone eine Belohnung von 100 000 Pfund für denjenigen aus, der eine Lösung für das schweißtreibende Problem findet. Das Geld musste nie ausgezahlt werden.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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