Bei uns in London:Das Eisberg-Hotel von Mayfair

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Es ist eins der edelsten Hotels in London: das Claridge's. Nun will es wachsen - und zwar nach unten. Im Keller sollen fünf weitere Stockwerke entstehen. Die Londoner hassen diese Eisberg-Häuser. Aus guten Gründen.

Von Björn Finke

Es ist eins der edelsten und geschichtsträchtigsten Hotels in London. Es eröffnete schon 1856 im schicken Stadtteil Mayfair; in ihm fährt der älteste Lift der Stadt, eingebaut 1896. Während des Zweiten Weltkriegs lebten dort Königsfamilien aus von Nazis besetzten Ländern im Exil. Als Premierminister Winston Churchill 1945 abgewählt wurde, zog er in eine Suite des Hotels. Die Queen und ihre Familie geben in dem Fünf-Sterne-Haus in der Nähe der Einkaufshölle Oxford Street gerne mal einen Empfang. Doch jetzt droht sich das feine Hotel bei seinen vielen ebenso feinen Nachbarn unbeliebt zu machen. Denn das Claridge's will wachsen - in die Tiefe.

Der Besitzer des Claridge's, die Maybourne Hotel Group, will unter das Hotel einen der größten Keller des Königreichs graben: fünf weitere Stockwerke tief, 1800 Quadratmeter. Die neuen Etagen sollen unter anderem Schwimmbecken, Sauna, Weinkeller und Wäscherei beherbergen. Das Unternehmen, das mehrheitlich einem Staatsfonds aus Katar gehört, hat nun bei der Stadtteil-Verwaltung von Westminster einen entsprechenden Antrag gestellt. Solche Riesen-Kellerausbauten sind in der Hauptstadt allerdings hoch umstritten. Die Londoner sprechen von Iceberg homes - Eisberg-Häusern -, wenn sich unter schmucken Gebäuden gigantische Katakomben verbergen.

Bei Hauseigentümern sind Keller-Erweiterungen sehr beliebt. Schlagzeilen machen vor allem die Großprojekte von Reichen. So lässt der Künstler Damien Hirst einen Riesenbunker ausheben, um mehr Raum für seine Kunstsammlung zu haben. Der russische Oligarch Roman Abramowitsch erweitert seine Villa im feinen Kensington in die Tiefe und baut dort ein neues schickeres Schwimmbecken. Andere Villenbesitzer bringen in ihren neuen Kellergeschossen Heimkinosäle, ein Basketballfeld oder eine Bowlingbahn unter.

Aber auch weniger Betuchte lassen gerne ihren Keller vergrößern. Das ist zwar teuer, lohnt sich dank der hohen Immobilienpreise in London jedoch trotzdem. Denn so steigt die Wohnfläche und damit der Wert. Und wer mehr Platz will, muss meist in die Tiefe gehen. Die strengen Planungsvorschriften verbieten es, in den schönen und beliebten Vierteln aus viktorianischer oder edwardischer Zeit eine Etage aufs Dach draufzusetzen oder den Garten zuzubetonieren.

Vielen Londonern ist die ewige Graberei ein Graus. Sie beklagen sich über Baulärm und die Kolonnen von Lastern, die durch die engen Straßen der Wohnviertel donnern und Aushub wegschaffen. Kritiker warnen, dass die Buddelei Fundamente benachbarter Häuser beschädigen könnte und Regenwasser schlechter versickere, wenn unter den Gärten Bunker verborgen sind. Die Stadtteil-Verwaltung von Chelsea und Kensington verschärfte darum schon 2014 die Vorgaben für solche Projekte. In den teuren Vierteln von Chelsea und Kensington sind Eisberg-Häuser besonders verbreitet.

Die Verwaltung von Westminster, die sich nun mit dem Antrag des Hotels Claridge's befassen muss, führte erst vergangene Woche eine Strafabgabe für Kellerausbauten ein. Bis zu 30 000 Pfund sind bei Antragstellung fällig, also 36 000 Euro. Die Eigentümer von Claridge's werden es verkraften.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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