Bei uns in London:Boris und der Pelz der Queen

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Der britische Wahlkampf ist ein Wahlkampf der Superlative. Das inspiriert auch die Karikaturisten.

Von Alexander Mühlauer

In der Londoner Times ist am Donnerstag eine Karikatur erschienen, die einen besonders blonden Wuschelkopf zeigt. Der unschwer erkennbare Premierminister verneigt sich vor der pelztragenden Queen, in der Hand hält er sein Wahlprogramm. "Natürlich ist das alles ein Fake", sagt die Königin. Und der Wuschelkopf denkt sich: "Woher um alles in der Welt weiß sie das?" Nun, das mit dem Fake ist gerade in Brexit-Zeiten so eine Sache. Seit Boris Johnson in Downing Street residiert, hat er die Queen nicht immer redlich behandelt. Als es etwa darum ging, das Parlament in die Zwangspause zu schicken, holte er sich dafür zwar ein Placet der Königin; doch sein Manöver wurde dann vom obersten Gerichtshof für rechtswidrig erklärt. Man tritt Johnson nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er es mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt. Doch ist deshalb alles ein Fake, was er in seinem Wahlprogramm behauptet?

Nun, Johnson will vor allem eines: mehr Geld ausgeben. Er möchte das Gesundheitswesen stärken, er möchte mehr Polizisten einstellen und die Infrastruktur ausbauen. Das alles kostet. Aber höchstwahrscheinlich kostet es nicht mehr als die Wahlversprechen von Jeremy Corbyn. Zurzeit touren Johnson und sein linker Widersacher durch das Land, um die Bürger vor dem Wahlen am 12. Dezember auf ihre Seite zu ziehen. Sie werfen nur so mit großartigen Plänen um sich, dass einem ganz schwindelig werden kann. Unfinanzierbare Versprechen sind ja seit jeher ein Klassiker des Wahlkampfs. Doch diesmal stehen sie, wie man in der Wirtschaft so schön sagt, unter einem besonderen Finanzierungsvorbehalt. Denn alles, was Johnson oder Corbyn planen, hängt vom Brexit ab. Es ist schon ein Unterschied, ob es künftig Zölle zwischen der EU und Großbritannien gibt - oder eben nicht. Das beeinflusst die Wirtschaftsleistung des Landes maßgeblich; und damit auch die Frage, wie viel Geld man für Polizisten ausgeben kann.

Doch weil in Wahrheit niemand weiß, welches künftige Verhältnis Johnson oder Corbyn mit der EU wirklich wollen, hat der wunderbare Times-Karikaturist den Wahlkampf um einen ganz besonderen Fake bereichert. Er zeichnete die Queen in einem unechten Pelz, schließlich hat deren Schneiderin verlauten lassen, dass die Königin keinen echten Pelz mehr tragen werde. Die Queen tritt dem Premier in ihrem Fake-Nerz also gegenüber und sagt: "Natürlich ist das alles ein Fake."Doch der blonde Wuschelkopf scheint den Wortwitz Ihrer Majestät nicht zu verstehen. Er ist einmal mehr mit seinen eigenen Fakes beschäftigt.

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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