Bei uns in Hamburg:Wir sind Kosmopoliten

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Der HSV und St. Pauli liefern nicht, was diese erstklassige Stadt erwartet. Ein Glück, dass es die neue S-Bahnstation an den Elbbrücken gibt.

Von Angelika Slavik

Man muss sagen, dass die Stadt mal wieder hinter ihren eigenen Erwartungen zurückbleibt. Da ist zum Beispiel der HSV. Der ist jetzt Zweiter in der zweiten Liga. Das ist nicht gerade, was eine erstklassige Stadt erwartet, zumal der zweite Platz des HSV nicht ein normaler zweiter Platz ist, sondern einer hinter, festhalten bitte, Arminia Bielefeld. Das ist nicht gut. Der FC St. Pauli wiederum liegt nicht einfach nur hinter Arminia Bielefeld, sondern zum Beispiel auch neun Plätze hinter FC Erzgebirge Aue, also auf Rang 15. Man muss wirklich hoffen, dass sie das in Berlin nicht mitbekommen.

Da ist es ein Glück, dass es jetzt wenigstens die neue S-Bahnstation an den Elbbrücken gibt. Wenn man mit der S-Bahn zu den Elbbrücken fährt, kann man nun über einen "Skywalk" rüber zur U-Bahn laufen, so ein futuristisches Glas-Ding, ganz fantastisch kosmopolitisch! Der Teil mit der S-Bahn und der Teil mit der U-Bahn sind außerdem "architektonische Zwillinge" und deshalb ein "Meisterwerk", sagt der Bürgermeister Tschentscher.

Zugegeben, das Meisterwerk war nicht richtig günstig. 70 Millionen Euro kostete die Bahnstation, das ist geringfügig mehr als die 43 Millionen, die man ursprünglich mal eingeplant hatte. Das ist in Wirklichkeit natürlich super, schließlich passt die S-Bahnhaltestelle Elbbrücken als leicht budgetüberschreitendes architektonisches Meisterwerk damit optimal zur Elbphilharmonie. Man kann also ohne Übertreibung sagen, dass es für Hamburg ein architektonisch-budgetäres Gesamtkonzept gibt, das eisern durchgezogen wird.

Noch besser ist natürlich, dass die S-Bahnstation Elbbrücken eröffnet wurde, während die Berliner immer noch keinen Flughafen haben. Damit kann man die peinliche Fußball-Sache natürlich optimal ausgleichen. Wenn jetzt also einer daher käme und süffisant fragen würde, ob St. Pauli denn in die dritte Liga absteigen oder ob der HSV am Ende der Saison in der Relegation spielen wird, vielleicht auch noch gegen Werder Bremen, könnte man sagen, dass Fußball ja "im globalen Zusammenhang" eigentlich völlig bedeutungslos sei. Man könnte erwähnen, dass das, was eine Stadt wirklich lebenswert mache, ja die architektonische Schönheit sei. Dann könnte man lächeln und hinterherschieben: "Und die Infrastruktur natürlich." Dann würde man fragen, ob der Flughafen in Berlin denn nun schon abgerissen sei, "aber für den Abriss habt Ihr ja wahrscheinlich kein Geld mehr, oder?" Dann würde man heimfahren, mit der S-Bahn natürlich, und später würde man ein bisschen Fußball gucken. Zweite Liga.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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