Bei uns in Hamburg:Viril im Gartencenter

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Die Zeiten sind entsetzlich, aber für niemanden läuft es so schlecht wie für den Hamburger Mann. Da ist es gut, dass es den Männer-Tag im Garten-Center gibt.

Von Angelika Slavik

Man muss natürlich sagen, dass die Zeiten entsetzlich sind. Der HSV ist nicht aufgestiegen und hat schon wieder einen Trainer auf dem Gewissen. Jonas Kaufmann, immerhin der Star-Tenor überhaupt, will nicht mehr in der Elbphilharmonie singen - er findet, dass die Akustik dort schlecht ist. Unsere 866-Millionen-Euro-Akustik! Des Weiteren verbleibt die Zahl der Menschen außerhalb Hamburgs, die wissen, wer Peter Tschentscher ist, bei exakt null. Ein Bürgermeister ohne das gewisse Je-ne-sais-quoi, das ist insgesamt nicht, was wir uns vorstellen.

Am schlimmsten ist die Lage allerdings, da müssen wir uns nichts vormachen, für den gemeinen Mann. Insgesamt ist das Dilemma des modernen Mannes ja zur Genüge beschrieben: Immer wird er kritisiert. Fährt er mit der U-Bahn, ist er ein Manspreader, gibt er hilfreiche Tipps, ist er ein Mansplainer, überall lauern Fallstricke und Frauenquoten, es ist wirklich kein Spaß. Da ist es gut, dass es zumindest für den Hamburger Mann nun Hoffnung gibt. Eine kleine Oase ursprünglicher, unverfälschter Maskulinität: den Männer-Tag im Gartencenter. Herrlich!

Beim Männer-Tag ist in diesem Jahr zum Beispiel "Europas größter Rotisserie-Barbecue Smoker zu Gast", so steht es in der Einladung. Der Rotisserie-Barbecue Smoker wartet mit beeindruckenden 24 Quadratmetern Grillfläche auf, er ist neun Meter lang und, Trommelwirbel bitte, drei Meter hoch. Himmel, nie war Grillgutzubereitung so viril wie hier, im Gartencenter in Hamburg-Volksdorf. Da möchte man doch sogar als Nicht-Zielgruppen-Mitglied röhrende Hirschlaute ausstoßen, nicht wahr? Bevor man sich, schon klar, still an die Zubereitung verschiedener Beilagensalate macht, wie es der Grillgott nun mal vorgesehen hat. Natürlich ist das noch nicht alles: Es gibt auch noch die Brandy-Verkostung und, da jubiliert das Herz, die Chance, "eine große Auswahl an verschiedenen Akku-Geräten" zu testen. Kabellos zur entfesselten Männlichkeit - diese Gelegenheit hat man nicht alle Tage.

Es ist natürlich ein Problem, dass der Männertag im Gartencenter nur einmal im Jahr ist. Stattdessen sollte man das Konzept ausbreiten. Männertag in der Elbphilharmonie! Das wäre eine große Sache. Jonas Kaufmann würde das Spanferkel aufspießen, während die Nicht-Aufsteiger vom HSV Akku-Schrauber vorführen würden. Und Peter Tschentscher könnte mit Brandy gurgeln, um die Akustik im Konzerthaus zu testen. Danach kennt ihn das ganze Land, bestimmt.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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