Bei uns in Hamburg:In der Warteschleife auf dem Plastikstühlchen

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Wer in Hamburg aufs Amt geht, um sein Auto umzumelden, muss im Schnitt drei Stunden und zwei Minuten warten. Das ist nicht irre, das ist Kunst.

Von Angelika Slavik

In der Kunsthalle in Hamburg gibt es gerade eine Ausstellung über das Warten. Das ist natürlich kein Zufall, nirgendwo sonst in Deutschland hätte sie besser hingepasst. Hamburg ist die Hauptstadt des Wartens. So ist gerade eine neue ADAC-Rangliste erschienen. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie lange Menschen darauf warten müssen, bei der zuständigen Behörde ihr Auto umzumelden. In Dresden zum Beispiel vergehen elf Minuten, bis man zum zuständigen Sachbearbeiter vorgelassen wird. In München ist mehr Geduld gefragt, Menschen ohne Termin müssen hier meist rund 90 Minuten ausharren.

Werte, über die man in Hamburg nur müde lächeln kann. Hier lässt die Zulassungsstelle den spontanen Besucher im Schnitt drei Stunden und zwei Minuten schmoren - ein bundesweit konkurrenzloser Wert. Wer jetzt denkt, in Hamburg wäre eben alles minutiös geplant und deshalb kein Platz für unangekündigte Amtsbesucher, irrt sich. Auch mit wochenlang im Voraus gebuchtem Termin muss man hier immer noch 20 Minuten warten. Zum Vergleich: In München ist, wer sich angemeldet hat, schon nach drei Minuten Wartezeit dran.

Die Zulassungsstelle ist natürlich kein Einzelfall, auch sonst mag man es in Hamburg so gemütlich, wie man es doch eigentlich den Münchnern nachsagt. Auf die Elbvertiefung, also den Ausbau der Fahrrinne, um den Fluss für die richtig großen Schiffe nutzbar zu machen, wartet etwa die Hafenwirtschaft seit mehr als zehn Jahren. Und zwar nicht, weil die Stadt um die Umwelt besorgt wäre und deshalb die Elbe lassen wollte, wie sie ist. Sondern weil die zuständigen Behördenvertreter vor Gericht ihre Unterlagen nicht vollständig eingereicht und ihre Hausaufgaben gar nicht gemacht hatten. Weswegen die Bauarbeiten nicht genehmigt wurden. Aber hey, nur keine Eile! Die Elbphilharmonie wurde auch nicht an einem Tag erbaut, nicht wahr? Gut, streng genommen wurde die Elbphilharmonie sogar an sehr, sehr vielen Tagen erbaut, aber wir wollen an dieser Stelle nicht pingelig sein.

Die Ausstellung in der Kunsthalle gewinnt dem Warten jedenfalls eine Menge positiver Aspekte ab, zumindest in ästhetischer Hinsicht. Und so kann man sagen: Es mag ja sein, dass man andernorts sein Auto schneller umgemeldet hat als hier im Norden.

Aber während die Hamburger im Plastikstühlchen sitzen und die dritte Stunde Wartezeit beginnt, klagen sie nicht. Schließlich wissen sie: Das hier, das ist Kunst.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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