Bei uns in Frankfurt:Wohnen im Wolkenkratzer

Lesezeit: 1 min

In der Mainmetropole entsteht schon wieder ein Hochhaus, an sich nichts Bemerkenswertes. Aber es soll eines werden mit gemischter Nutzung - unten arbeiten, oben leben. Das mag gut sein für die Stadt, aber ist es auch gut für die Menschen?

Von Markus Zydra

Überall Baustellen, auch auf dem Gelände der Großen Gallusstraße 18. Dort hat die Empfangsdame der Privatbank Metzler noch vor knapp einem Jahr die Besucher begrüßt. Jetzt beseitigt der Saugbagger den restlichen Schutt. Der Abriss des Metzler-Hauses hat nur ein paar Monate gedauert. Dennoch hat man sich dieser Tage mit Blick auf die Brachfläche unvermittelt gefragt, was da vorher wohl stand. Haus weg, Erinnerung weg. Im Jahr 1954 hatte Metzler den Flachbau hochziehen lassen. Viel Kriegsschutt kam zum Einsatz. Ein paar alte Backsteine der noch sichtbaren Grundmauern vom Metzler-Haus erzählen davon.

In Frankfurts Innenstadt gehört die Abrissbirne zum Stadtbild. Die Finanzmetropole verändert zur Melodie von Bohr- und Presslufthammer ihr Gesicht. Auf dem ehemaligen Metzler-Gelände soll ein 185 Meter hohes Gebäude hochgezogen werden. Das wäre in Mainhattan nicht weiter bemerkenswert, doch es handelt sich um einen Wolkenkratzer mit gemischter Nutzung. In dem Komplex mit dem Arbeitstitel "Tessuto" wird es sowohl Büros als auch Wohnungen geben. Die Leute zieht es wieder zurück in die Stadt. Die Millionärs-Domizile Kronberg und Königstein haben ausgedient für den gut verdienenden Manager. Man geht deshalb in die Höhe, da selbst exklusiver Wohnraum knapp ist in Frankfurt. Zwar existiert im Bankenquartier mit dem Eurotheum schon länger ein Hochhaus, das neben Büros und einem Hotel auch Apartments beherbergt. Doch der Stadt ist es immer noch zu still im abends verwaisten Bankenviertel.

Die Idee mit dem Wohnturm hat Charme. Es muss herrlich sein, nach getaner Arbeit in den Aufzug zu steigen und nur ein Stockwerk höher in die schicke Wohnung zu fahren. Dann begibt man sich ans Fenster in 100 Meter Höhe und genießt den Blick auf die Stadt. Es folgt eine flinke Dusche und dann runter zurück ins Büro. Zur Nachtschicht, denn die Börsen schlafen nie. Freizeit und Erholung könnten zu kurz kommen; vielleicht ist es doch keine gute Idee, dort zu wohnen, wo man arbeitet. Es sei denn, man ist der Chef. Friedrich von Metzler, 72, ist im Haus in der Gallusstraße 18 groß geworden. Seine Eltern nutzten die sechste Etage als Wohnung. Dort hat man ihn an seine spätere Aufgabe herangeführt. Seine Mutter, so wird erzählt, brachte den Bankangestellten damals manchmal etwas zu essen runter. Verblassende Erinnerung an andere Zeiten. Heute kommt der Caterer.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: