Bei uns in Frankfurt:Der letzte Besuch

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Man wird ja gerne ein wenig wehmütig, wenn Dinge verschwinden, an die man sich gewöhnt hat. Etwa die Zeilgalerie, ein Center in der Frankfurter Fußgängerzone. Wer weiß noch, wer Jürgen Schneider ist?

Von Markus Zydra

Man wird ja gerne ein wenig wehmütig, wenn Dinge verschwinden, an die man sich gewöhnt hat. Die Zeilgalerie, ein Shoppingcenter in der Frankfurter Fußgängerzone, wird bald, nun ja, platt gemacht. Sie wurde nur 24 Jahre alt. Oft war man ja nicht drin in der siebenstöckigen Ladenzeile. Dennoch folgt man in der Mittagspause dem Impuls, noch mal reinzugehen. Die Eingangstüren sind offen. Man ist allein, es ist still wie in einer Kirche. Die Geschäfte sind längst geräumt, bis auf eines mit einem separaten Eingang draußen. Die Aufzüge sind stillgelegt. Man nimmt den Fußweg, der einer Serpentine nachempfunden recht steil nach oben führt. Dieser letzte Besuch, bevor die Bagger kommen, setzt eine Erinnerung daran frei, wer das Gebäude 1992 damals unter dem Namen "Les Facettes" bauen ließ: der damals schillernde Frankfurter Bauunternehmer Jürgen Schneider. Es gibt heute noch Frauen, die den stets braun gebrannten Mann mit hoher Stirn und leicht gewelltem Haar rückblickend als stattlich bezeichnen würden. Schneider machte Eindruck - auch in der Finanzwirtschaft. Die Banken rissen sich darum, ihm Kredit zu geben für seine gigantischen Projekte. Es ging da vor allem um die sündhaft teure Restaurierung historischer Immobilien in innerstädtischen Bestlagen. Doch Schneider nahm es mit der Wahrheit nicht so genau. Er täuschte die Geldgeber über den wahren Wert der Immobilie, seine Versprechen waren nichts wert. Dafür musste er ab 1997 auch einige Jahre ins Gefängnis. Allerdings, und das wurde in dem Prozess gegen Schneider sehr deutlich, stellten sich die Banken damals auch sehr dämlich an. Sie glaubten Schneider alles, ohne genau hinzuschauen. Als es um den Kredit für den Bau der Zeilgalerie ging, hatte Schneider beispielsweise vorgegaukelt, die Galerie verfüge über eine Verkaufsfläche von 22 000 Quadratmetern; tatsächlich waren es nur 9000 Quadratmeter. So stand es wahrheitsgemäß übrigens auf dem Bauschild, das gar nicht weit weg stand von der Bankzentrale. Diese Betrügereien waren ein böses Omen für das Shoppingcenter. Die Geschäfte liefen schlecht. Die Idee einer Einkaufspassage, in der Besucher mit Rolltreppen und Aufzügen nach oben fahren, um zurück über 500 Meter an allen Läden vorbei einen spiralförmigen Fußweg abzuschreiten, erreichte nie die Herzen der Kunden. Auch die Sanierung 2011 brachte nichts. Viele Läden standen leer. So gesehen fällt der Abschied recht leicht, es geht zurück in die Fußgängerzone. Gut durchblutet vom Marsch, die 1990er Jahre rekapituliert und eigentlich auch ohne Wehmut.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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