Bei uns in Davos:Außerirdische im Schnee

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Davos ist im Januar nicht wiederzuerkennen: Die Welt ist zu Gast, und wer kann, der flüchtet.

Von Caspar Busse

Als Thomas Mann 1924 seinen großartigen Roman "Der Zauberberg" veröffentlichte, gab es das Schneider's schon neun Jahre. Das berühmte Kaffeehaus an der Promenade, der Hauptstraße in Davos, hatte 1915 seine Türen geöffnet. Vieles hat sich seitdem geändert, Davos wurde immer mehr zu einer unansehnlichen Stadt in den Bergen. Das Schneider's mit seiner schönen Fassade aber blieb und wurde zur "Grande Dame der Davoser Kaffeehäuser", wie sich das Café selbst beschreibt. Es gibt Davoser Birnenbrot, Bündner Nusstorte und Birchermüsli, die Einheimischen holen sich zum Frühstück ihre Semmeln und Gipfeli.

Doch echte Davoser und Gäste des Weltwirtschaftsforums suchen das Kaffeehaus in diesen Tagen vergeblich. "Davos Russia House 2019" prangt plötzlich über dem Eingang, das Schaufenster ist in den russischen Nationalfarben weiß-blau-rot gehalten, Zutritt nur mit Einladung. Draußen vor der Tür stehen schwarze Limousinen und VW-Busse mit abgedunkelten Scheiben auf der verschneiten Straße im Stau, Forumsbesucher hasten vorbei.

Wenige Schritte weiter ist normalerweise eine Galerie zu finden, jetzt steht "Deutsche Bank" an der Hauswand. Die Frankfurter haben die Räumlichkeiten für zwei Wochen gemietet, statt um Kunst geht es jetzt um das große Geld. Alles wurde frisch gestrichen und ein langer Holztisch reingestellt, die Garderobe befindet sich in einer kleinen Holzbude neben dem Eingang. Auch der chinesische Techkonzern Huawei hat etwas weiter ein Geschäft gemietet, Facebook gleich ein ganzes Haus aus Holz aufgebaut.

Davos im Januar: Es ist, als wären die Außerirdischen eingefallen, die Einheimischen sind genervt und vermieten ihre Geschäfte und Appartements. Wer es sich leisten kann, verlässt gleich die Stadt. Einziger Trost: Die große Welt bleibt nur eine Woche und zieht dann weiter. Anders als Hans Castorp: Der Held aus Thomas Manns "Zauberberg" kam für drei Wochen - und blieb dann sieben Jahre.

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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