Bei uns in Bueons Aires:Inflations- Karussell

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Die Preise in Argentinien steigen und steigen. Die Menschen fangen an, Lebensmittel zu horten - Tomaten in Dosen als sichere Geldanlage. Die Menschen verlieren das Gefühl dafür, was alltägliche Dinge kosten dürfen.

Von Christoph Gurk

Ein paar Blocks von der Wohnung entfernt, gibt es einen schönen Park. Gerade blühen dort die Jacaranda Bäume, zwischen Picknickern und Fußballern sprinten Hunde umher und dann gibt es da noch dieses nette alte Karussell. Der Lack der Reittiere ist schon etwas abgeblättert und seltsamerweise gibt es neben Pferden, Schweinchen und Fröschen auch Kampfflieger und Panzer. Aber egal, die beiden Töchter lieben es, endlose Runden zu drehen. Zunächst kostete das auch nicht viel: 85 Peso für fünf Tickets, umgerechnet etwa 1,50 Euro. Nun aber sind vier Monate seit der Ankunft in Argentinien vergangen und jedes Mal, wenn man in den Park geht, kostet das Karussell ein bisschen mehr: Erst waren es 100 Peso, jetzt sind es schon 125.

Zur Verteidigung der netten alten Dame, die das Karussell betreibt, muss man sagen, dass Argentinien unter der zweithöchsten Inflationsrate Lateinamerikas leidet. Die Bananen beim bolivianischen Gemüseladen, das Bier im Supermarkt, der Kaffee im Restaurant: Alles wird hier ständig teurer. Und natürlich darf man auch nicht vergessen, dass man in der glücklichen Lage ist, Euro zu verdienen. Fällt der Kurs des Peso, steigt das Gehalt, zumindest theoretisch. Praktisch aber wird auch so ständig alles teurer. Denn egal ob Obstverkäufer, Café-Betreiber oder Karussellbesitzerin: Alle schlagen zusätzlich zur Inflationsrate noch ein paar Peso obendrauf, zur Sicherheit und auch weil sie wissen, dass viele Menschen ohnehin schon das Gefühl dafür verloren haben, was Dinge des täglichen und nicht alltäglichen Lebens so kosten sollten. Natürlich heizt das am Ende die Inflation nur noch weiter an, ein Teufelskreis, der sich schneller dreht als jedes Karussell.

Manche Freunde versuchen, die Orientierung mit Hilfe akribisch betriebener Preisrecherche wiederzuerlangen. Andere kaufen zum Beispiel Tomatendosen im großen Stil und lagern sie ein, als essbare Wertanlage im Küchenregal. So gesehen sollte man auch vorsorgen und beim nächsten Besuch im Park gleich Karussellkarten im Dutzendpack kaufen. Noch ist man nicht so weit, aber das könnte sich spätestens dann ändern, wenn die Fahrpreise die 150 Peso-Marke geknackt haben. Geht es so weiter, ist das noch vor Weihnachten der Fall.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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