Bei uns in Brüssel:Boris Johnson und die Mikrowelle

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Der britische Premierminister mag sprechende Bilder - und wiederholt sie fast so gerne wie US-Präsident Donald Trump. Was genau dahinter steckt, wird auch nicht unbedingt klar.

Von Alexander Mühlauer

Boris Johnson ist wieder in London. Wie es aussieht, hat der Premierminister sich im Weihnachtsurlaub gut erholt. Sein Gesicht ist jedenfalls nicht mehr ganz so blass wie im winterlichen Wahlkampf. Wüsste man nicht, dass Johnson während der Feiertage in der Karibik weilte, hätte man fast auf die Idee kommen können, dass er sich ins Solarium gelegt hat. The Boris hat sich ja so manches bei The Donald abgeschaut, doch in puncto Sonnenbank musste er wohl feststellen: Eine noble englische Blässe passt dann doch irgendwie besser zu seinen strohblonden Haaren.

Während Donald Trump mit seinem orangefarbenen Teint als durchaus glaubwürdiger Sonnenbank-Verkäufer durchgeht, hat sich Johnson ein anderes Gerät mit elektrischen Strahlen ausgesucht, dessen Vorzüge er schon seit einiger Zeit preist: die Mikrowelle. Vor der Wahl sprach er immer wieder davon, dass man seinen "ofenfertigen Brexit-Deal" nur noch in die Mikrowelle hauen müsse, so fertig sei er. Wer dachte, dieses Sprachbild sei dem Wahlkampf geschuldet, musste spätestens zum Jahreswechsel feststellen: nein, das war es nicht.

In Johnsons Neujahrsbotschaft tauchte die Mikrowelle plötzlich wieder auf. "Wir werden den Brexit vor Ende dieses Monats abschließen", heißt es darin. Und weiter: "Bei dem ofenfertigen Deal, über den ich im Wahlkampf so viel gesprochen habe, wurde die Plastikverpackung bereits durchstochen und in die Mikrowelle gestellt." Welches Gericht sich unter besagter Plastikverpackung verbirgt, sagte Johnson nicht. Er ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass es seinen Landsleuten großartig schmecken werde; schließlich werde Großbritannien die EU am 31. Januar endlich verlassen. Bis dahin muss die Mikrowelle also noch durchhalten.

Gut möglich, dass Johnson danach ganz andere Küchenhelfer braucht. Denn bis Ende des Jahres will er ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union schließen. Im Londoner Regierungsviertel wird schon darüber spekuliert, dass Johnson die Mikrowelle durch einen elektrischen Fleischwolf ersetzt. Wobei hochrangige Beamte vorsichtig einwenden, der Premierminister könnte damit riskieren, dass sich vegan oder vegetarisch ernährende Bürger nicht von ihm vertreten fühlen könnten. Andererseits: Es soll im Vereinigten Königreich auch Menschen geben, die keine Mikrowelle besitzen und trotzdem Johnson gewählt haben.

Der Premierminister kann es jedenfalls kaum noch erwarten, die Verhandlungen über ein Freihandelsmenü mit der Europäischen Union aufzunehmen. Und sollte das denen in Brüssel wider Erwarten nicht schmecken, kann er sich in Washington ja immer noch ein bisschen auf die Sonnenbank legen.

© SZ vom 03.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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