Begrenzter Schutz:Gute und böse Daten

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Big Data - gut oder böse? Diese Frage stellt Marc Beise an Till Reuter, Sandra Sieber, Walter Schiebusch und Saskia Biskup (v.l.n.r.). (Foto: Stephan Rumpf)

Zwei oder drei Tage reichen heute, um so viele Daten zu generieren wie früher in einem Jahr. Jeder Einzelne hat nur begrenzt Einfluss darauf, was mit seinen Daten geschieht. Welche Regeln brauchen wir also im Umgang mit "Big Data"?

Von Thomas Fromm, Berlin

Sandra Sieber sagt, dass sie ihre Daten schon weitergeben würde, gerne auch an Saskia Biskup. "Aber je sensibler die Daten für mich sind, desto vorsichtiger muss man damit umgehen", findet sie. "Wenn mit diesen Daten etwas passiert, wäre das ganz schlimm. Das kann man auch gegen mich benutzen."

Nun muss man wissen, dass Sandra Sieber, Leiterin des Instituts für Informationssysteme an der IESE Business School in Barcelona, eine Expertin für die Digitalisierung unserer Welt ist. Eine Frau, die untersucht, wie die große Datenflut unser Leben verändert, im Guten wie im Schlechten. Saskia Biskup ist eine Ärztin, die mit ihrer Firma Cegat und 60 Mitarbeitern die Gene der Menschen untersucht, um mit den Ergebnissen bessere Therapien bei schweren Krankheiten zu entwickeln. Sie sieht die Dinge naturgemäß aus einer klaren Perspektive - der einer Ärztin, für die sich im Moment ganz neue Behandlungsperspektiven eröffnen. "Wir könnten so viel mehr für die Patienten in kürzerer Zeit erreichen", findet sie. Anders gesagt: "Wenn wir unsere Daten nicht teilen, können wir den Patienten nicht mehr optimal behandeln."

Je vernetzter wir leben, je mehr alles mit allem digital kommuniziert - Auto mit Auto, Krankenhaus mit Facharzt, Kühlschrank mit Smartphone - desto mehr Daten entstehen. Große Datenmengen, "Big Data". Daten, die zunächst einmal einfach nur da sind und weder gut noch böse sind.

Und doch sagen viele Skeptiker: Nein, Big Data kann eigentlich nicht gut sein, weil die Daten ja missbraucht werden können. Milliarden von Computern, Smartphones und Handyverträgen, noch nie sind so viele Daten entstanden wie 2014. Zwei oder drei Tage reichen heute, um so viele Daten zu generieren wie früher in einem Jahr. Natürlich geht es um Quantität, nicht immer um Qualität. Vieles von dem, was hier durch die Kanäle geht, ist schlicht uninteressant. Eine Art moderner Kommunikationsmüll. Aber was ist mit den sensiblen, den relevanten Daten? Daten über die Gesundheit eines Menschen? Daten über das Kaufverhalten von Familien, die finanziellen Verhältnisse von Menschen? Oder - noch sensibler: Daten über die Sicherheitslage eines Landes oder einer Stadt?

Wie entstehen die Daten, wer hat Zugang zu ihnen und wo landen sie am Ende? Es geht also nicht darum, ob wir Big Data wollen oder nicht. Big Data ist einfach da. Die Frage ist: Welche Regeln wollen wir uns für diese Datenflut geben?

Walter Schlebusch, Chef des Münchner Unternehmens Giesecke & Devrient, einem Experten für den Druck von Banknoten sowie für Chipkarten und Sicherheitslösungen, sieht erst einmal den einzelnen Bürger in der Pflicht. "Die Diskussion wird zu sehr aus der Sicht des Datenschutzes geführt, da muss man schneller werden", sagt er. Der Konsument? Offener, als man das gemeinhin denken würde. Aber leider auch fahrlässig. "Das fängt mit dem Umgang mit den eigenen Daten an", sagt er. "Viele gehen ins Smartphone ohne Password." Das Argument ist nun nicht neu, man kennt es auch aus anderen Bereichen der Wirtschaft.

Auch Till Reuter vom Augsburger Roboterbauer Kuka sagt: Ohne Big Data geht es nicht. "Für Europa ist die Nutzung der Daten essenziell, um im Wettbewerb gegen andere Regionen zu bestehen", meint er. Alles richtig.

Da hätte man früher auch fragen können, ob "elektrischer Strom" schlecht ist

Nur ist es mit den Daten so eine Sache: Der vernetzte Mensch kann sich ein Password ausdenken, seine gesamte digitale Umwelt chiffrieren - und sich eben doch nicht wirklich sicher fühlen. Denn es gibt nicht nur jene riesigen Datenmengen, die der Gesundheitsforschung und dem Umweltschutz dienen. Es gibt auch jene Daten, an denen Dritte großes Interesse haben könnten - um am Ende Grundrechte zu verletzen.

Am Ende der Debatte meldet sich der frühere Chef des Chip-Herstellers Infineon, Peter Bauer, zu Wort. Er finde die Frage, "ob Big Data gut oder böse ist, nicht zielführend". Da hätte man früher auch fragen können, ob "elektrischer Strom" böse ist. Aber, so Bauer: "Ich hätte Schwierigkeiten, mein Genom sequenzieren und irgendwo liegen zu haben." Da müsse man sich schon ziemlich sicher sein, dass "die Sicherheitsstandards stimmen".

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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