Bayer:Licht und Schatten

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Bayer-Kreuz am Werk des Konzerns in Leverkusen: Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren umgebaut worden, um sich besser spezialisieren zu können. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Bayer-Chef Dekkers präsentiert seine letzte Bilanz mit dem bisher besten Ergebnis, enttäuscht aber die Anleger

Von Karl-Heinz Büschemann, Leverkusen

Das war ihm wichtig: Vor seiner letzten Bilanzpressekonferenz als Bayer-Chef ließ Marijn Dekkers von Mitarbeiterinnen eine bunte Broschüre verteilen, die wie eine persönliche Bilanz des 58-Jährigen aussieht. "Life Science Company" steht in großen Lettern auf der 28-Seiten-Schrift. Dekkers hat aus dem Leverkusener Traditionskonzern einen Konzern für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen gemacht.

Der Konzern, der vor mehr als einem Jahrhundert das Aspirin erfand, hat einen fundamentalen Umbau hinter sich. Ende April verlässt Dekkers das Chefbüro und übergibt an seinen Nachfolger Werner Baumann, der seit 1982 im Unternehmen ist und seit 2010 im Vorstand sitzt. Den Wechsel hatte Bayer am Mittwoch bekannt gegeben, obwohl Dekkers' Vertrag noch bis Ende des Jahres gelaufen wäre. Sein Auftritt gibt ihm die Möglichkeit, stolz zu zeigen, was er in gut fünf Jahren als Bayer-Chef geleistet hat. Er hat verkauft, was nicht in den Gesundheitsbereich passt, hat im Oktober die Kunststoffsparte unter dem Namen Covestro an die Börse gebracht und für etwa 14 Milliarden US-Dollar das Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten vom US-Konzern Merck gekauft. Am Donnerstag lautet das wenig bescheidene Fazit des ansonsten bescheiden auftretenden Niederländers: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt".

Der sonst bescheidene Niederländer trumpfte am Donnerstag ordentlich auf

Dass auf seine Abschiedsvorstellung auch ein Schatten fiel, lag an ein paar Zahlen. Der Pharma-Konzern ist mit seinem Gewinn im vierten Quartal von 2015 hinter den Erwartungen von Analysten zurückgeblieben. Das quittierte die Börse gleich mit einem Abschlag von bis zu 3,9 Prozent, obwohl Bayer die Dividende um zehn Prozent erhöhte. In dem Kursrückgang spiegelt sich auch eine für 2016 recht vorsichtige Prognose. Für das laufende Jahr erwartet Bayer ein Umsatzwachstum im niedrigen einstelligen Bereich auf 47 Milliarden Euro. Der Gewinn soll im mittleren einstelligen Bereich zulegen.

Vom vergangenen Jahr konnte Dekkers zufrieden sagen, es sei "ein erfolgreiches Jahr gewesen". Der Umsatz war mit 46 Milliarden Euro so hoch wie noch nie in der Unternehmensgeschichte. Auch beim Ergebnis habe Bayer mit einem Plus von 18 Prozent ein neues Rekordniveau von mehr als zehn Milliarden Euro erreicht. Das Unternehmen profitierte dabei von Wechselkurseffekten, vor allem von der Dollar-Stärke, die mit etwa 680 Millionen Euro zum Ergebnis beitrug. Der Überschuss kletterte um ein Fünftel auf 4,1 Milliarden Euro. Hauptanteil hatte die Pharmasparte. Gewinnbringer waren vor allem fünf neuere Arzneien: das Schlaganfallmittel Xarelto, das Augenpräparat Eylea, die Krebsmedikamente Stivarga und Xofigo sowie die Lungenhochdruckarznei Adempas.

Dekkers war es mit seiner Strategie gelungen, Bayer zum Dax-Konzern mit dem zweitgrößten Börsenwert zu machen. Wie zur Bestätigung seiner Arbeit hatte die abgespaltene Covestro AG am Mittwoch gemeldet, ihr Umsatz sei im vergangenen Jahr um 5,1 Prozent gefallen. Das Geschäft der abgetrennten Gesellschaft, die noch zu 68 Prozent bei Bayer liegt, trug bisher 30 Prozent des Bayer-Umsatzes bei, aber nur zehn Prozent zum Gewinn.

Dekkers, der seine Managerkarriere im wesentlichen in den USA gemacht hat und auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, sagte, er wolle künftig aus privaten Gründen wieder mehr in den USA sein. Doch er wird auch im April beim niederländisch-britischen Konsumgüterkonzern Unilever den Vorsitz des Verwaltungsrates übernehmen. "Ich werde Deutschland und Europa verbunden bleiben", so der Manager, der auch Vorsitzender des Verbandes der Chemischen Industrie ist.

Der künftige Chef Baumann ließ sich noch keine Einschätzungen über seine Pläne entlocken. Die Frage, ob das Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutz möglicherweise verkauft werde und es künftig nur noch zwei große Sektoren geben werde, ließ er diplomatisch unbeantwortet. "Alle drei Bereiche bringen uns ein überdurchschnittliches Wachstum", sagte der künftige Chef. Das Geschäft mit dem Pflanzenschutz sei "hochattraktiv".

Dekkers hat Kritik, das Leverkusener Unternehmen sei inzwischen zu einseitig strukturiert, stets zurückgewiesen. "Wir sind immer noch gut diversifiziert", sagt der Holländer. Bayer stelle nicht nur verschreibungspflichtige Medikamente her, sondern auch rezeptfreie Präparate, Pflanzenschutz und Saatgut. "Das sind Geschäfte mit unterschiedlichen Zyklen und Risiken, aber ähnlich attraktiven Risiken".

Vor zwei Jahrzehnten hatte der Frankfurter Hoechst-Konzern eine ähnliche Strategie verfolgt. Wie Bayer und BASF war auch Hoechst ursprünglich ein diversifizierter Chemie- und Pharma-Konzern. Die Fokussierung auf den Pharma-Bereich hatte zur Folge, dass Hoechst als Name heute verschwunden ist und viele der ehemaligen Unternehmensteile in anderen Konzernen aufgegangen sind. Dekkers hält dem trotzig entgegen: "Für Bayer ist die Life Science Strategie die Zukunft".

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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