Bausparverträge bei Wüstenrot:Schöne Bescherung - aber nicht für die Kunden

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Das Angebot klingt verlockend: Ein paar Hundert Euro zusätzliches Weihnachtsgeld. Alles, was der Wüstenrot-Kunde dafür tun muss: Seinen alten Bausparvertrag in einen neuen umwandeln. Die Berater zeigen vollen Einsatz - denn sie kassieren üppige Provisionen. Für die Kunden lohnt sich der Deal allerdings nicht.

Der Titel der Aktion klingt fast schon martialisch: "Kämpfe um Gold" - mit diesem Schlachtruf ziehen Mitarbeiter der Bausparkasse Wüstenrot seit September in Kundengespräche. Aber für wen geht es dabei um Gold? Offenbar nicht immer für die Kunden, wie das Handelsblatt berichtet. Wüstenrot will mit der Aktion hochverzinste Bausparverträge auflösen, die sich das Unternehmen aufgrund der aktuell schwierigen Situation auf dem Anlagemarkt nicht mehr leisten kann. Die Kunden verlieren dabei zum Teil viel Geld.

Dabei klingt das Angebot, mit dem sich Wüstenrot an seine Bausparkunden gewandt hat, verlockend: "Möchten Sie sich oder Ihren Lieben zu Weihnachten eine ganz besondere Freude bereiten? Oder dem kalten Winter in die Sonne entfliehen? Mit 622,13 Euro Weihnachtsgeld lässt sich einiges anfangen", schreibt der Konzern in einem Brief an Hunderttausende Kunden. Die Flucht in die Sonne gibt es allerdings nicht umsonst. Im Gegenzug muss der Kunde seinen alten, gut verzinsten Bausparvertrag (mindestens 3,5 Prozent) auflösen und gegen einen neuen, deutlich niedriger verzinsten Vertrag tauschen. Einen detaillierten Hinweis darauf, wie hoch die Einbußen bei dem Deal konkret sind, sucht der Kunde vergebens.

Das rechnet das Handelsblatt an einem Beispiel vor: Demnach verzichtet der Kunde bei einem typischen Bausparer mit einer Laufzeit von 14 Jahren und einer Summe von 40.000 Euro auf mehrere Tausend Euro. Für die Kunden fällt also bei den "Kämpfen" kein Gold ab, vielmehr profitiert Wüstenrot von der Umstellung der Verträge - und seine Berater. Denen bietet das Unternehmen attraktive Provisionen, wenn es ihnen gelingt, die Kunden von der Notwendigkeit eines neuen Vertrags zu überzeugen. Zusätzlich zu der Provision, die sie schon bei Abschluss der alten Verträge erhalten haben, kassieren die Vertreter im Erfolgsfall laut Handelsblatt noch einmal mehr als 1000 Euro.

"Das ist die größte Schweinerei, die ich in dieser Branche je erlebt habe", sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter der Zeitung. Niels Neuhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagte: "Wir bekommen ständig Nachrichten von Bausparkunden, die von ihrem Anbieter überrumpelt worden sind."

Wüstenrot selbst spricht nur von "sehr wenigen Einzelfällen", in denen die Beratung zum Nachteil des Kunden gelaufen sei. Um wie viele Verträge es insgesamt geht, wollte ein Sprecher des Unternehmens Süddeutsche.de nicht sagen. Wegen der aktuellen Aktion, die noch bis Ende des Jahres läuft, hätten Wüstenrot aber nur rund 40 Beschwerden von Kunden erreicht. Mehr will man dazu nicht sagen und verweist auf eine Stellungnahme.

Darin heißt es: Der Bericht des Handelsblatts zeige nur einen "irreführend gewählten Ausschnitt" aus der gesamten Aktion. Nach Darstellung des Unternehmens lohne sich die Umstellung der Verträge für viele Kunden sogar. Denn hohe Guthabenzinsen seien auch an hohe Zinsen für das Darlehen gekoppelt, das Kunden im Rahmen des Bausparens in Anspruch nehmen könnten. Durch die neuen Verträge seien die Guthabenzinsen zwar niedriger, dafür könnten die Betroffenen ein wesentlich günstigeres Darlehen erhalten.

Wüstenrot verwaltet derzeit etwa 3,75 Millionen Bausparer im Wert von 17,6 Milliarden Euro. Wie anderen Unternehmen in der Branche bereiten dem Konzern hochverzinste Verträge, die noch vor Ausbruch der Finanzkrise geschlossen wurden, Probleme. Die Europäische Zentralbank EZB hat den Leitzins auf den historischen Tiefstand von 0,75 Prozent festgesetzt. Mit gewöhnlichen Anlagestrategien lässt sich kaum noch Geld verdienen - schon gar nicht die in den Bausparverträgen festgeschriebenen Zinssätze von teilweise mehr als drei Prozent.

2007 hatte Wüstenrot noch 1,7 Millionen solcher hochverzinsten Bausparverträge im Depot. Inzwischen sind es 728.000 weniger. Laut Handelsblatt gingen den Kunden der aufgelösten Verträge dadurch insgesamt bis zu 700 Millionen Euro verloren.

Von Wüstenrot heißt es dazu:

"In dem Artikel wird - unabhängig von der derzeitigen Beratungsoffensive - der Eindruck erweckt, dass es Wüstenrot ausschließlich darum ginge, hochverzinsliche Bausparguthaben mit gezielten und durch Provisionen angereizten Vertriebsmaßnahmen zur Auszahlung zu bringen. Dies ist falsch. Von den genannten 728.000 Bausparverträgen sind rund 15 Prozent nach einer aktiven Kundenansprache und Beratung umgewandelt oder ausgezahlt worden. Im Großteil der Fälle endeten die Verträge, da diese zugeteilt wurden oder die Kunden diese Verträge selbst gekündigt haben."

Dennoch hat das Unternehmen inzwischen reagiert. "Wenn Kunden in Einzelfällen nicht korrekt aufgeklärt wurden, war das ein Fehler", sagte Vorstandschef Alexander Erland. Wüstenrot bietet nun an, die umgestellten Verträge wieder rückabzuwickeln. "Sollte es im Zuge dieser Beratungen im Einzelfall Umstellungen von Konten gegeben haben, die nicht im Kundeninteresse und auch im Sinne dieses Vorgehens gewesen sind, wird Wüstenrot dies selbstverständlich ohne Einbußen für die Kunden korrigieren. In diesem Falle wird auch die Provision zurückgebucht."

Dieses Angebot gilt allerdings nur für Verträge, die im Jahr 2012 abgeschlossen wurden.

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