Bargeldloses Zahlen:Niedrigere Gebühren, höhere Preise?

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Banken verdienen Milliarden - und der Kunde merkt davon kaum etwas: Jetzt will die EU die Gebühren deckeln, die beim bargeldlosen Bezahlen anfallen. Sie hofft, dass dadurch am Ende auch die Preise im Einzelhandel sinken. Doch Experten befürchten, dass genau das Gegenteil eintritt.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Für den Kunden sieht es einfach aus, wenn er im Laden mit Karte zahlt: Er unterschreibt oder gibt seine PIN-Nummer ein, weiter hat er mit dem Vorgang nichts zu tun. Der Betrag wird eins zu eins von seinem Konto abgebucht, Gebühren fallen nicht an. So weit, so bequem.

In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter. Beim Bezahlen per Karte laufen im Hintergrund viele Prozesse ab, es fließen Gebühren zwischen Kreditkartenunternehmen, Dienstleistern, Banken und Einzelhändlern. Die Lage ist unübersichtlich, zumal wenn es zu internationalen Transaktionen kommt. Jedes Land hat eigene Systeme und vor allem seine eigenen Gebühren. Die Entgelte, die Banken untereinander berechnen, schwanken in Europa von 0,2 Prozent des Umsatzes in den Niederlanden bis zu 1,8 Prozent in Polen. Deutschland ist mit durchschnittlich 1,2 bis 1,4 Prozent bei Kreditkarten relativ teuer.

EU-Kommissar Michel Barnier will diesen Wildwuchs beenden. Er hat sich vorgenommen, die Gebühren zu vereinheitlichen und zwar auf niedrigem Niveau. Das hätte massive Auswirkungen, auch auf Transaktionen im Inland. Für Debitkarten, die in Deutschland als Girocard bekannt sind und früher EC-Karten hießen, sollen die Banken der Privatkunden nur noch 0,2 Prozent des Umsatzes von den Einzelhändlern verlangen dürfen, maximal aber sieben Cent; für Kreditkarten sollen es 0,3 Prozent sein. Der Gesetzentwurf ist weit gediehen, demnächst dürfte das europäische Parlament zustimmen, dann muss er nur noch durch den EU-Rat.

Bargeldloses Bezahlen könnte für Verbraucher sogar teurer werden

Barniers Hoffnung: Wenn Einzelhändler, die die Kosten für das bargeldlose Bezahlen tragen, dafür künftig weniger ausgeben müssen, werde sich dies in niedrigeren Preisen für Kunden niederschlagen. Unabhängige Experten sind da allerdings nicht so sicher. "Die Gefahr ist groß, dass der Schuss nach hinten losgeht und das bargeldlose Bezahlen für Verbraucher am Ende sogar teurer wird", sagt Jürgen Bott, Professor an der Fachhochschule Kaiserslautern, der dazu eine Studie verfasst hat.

Im Einzelnen sieht der Prozess so aus: Der Kunde zahlt beim Händler per Karte. Dieser erhält den Betrag abzüglich einer Gebühr von der Bank, die für ihn die Kartenzahlungen abwickelt. Die Händler-Bank wiederum holt sich das Geld von der Bank, die die Karte des Kunden ausgegeben hat. Diese berechnet dafür das sogenannte Interbanken-Entgelt - jene Gebühr, die Barnier begrenzen will. Der Gebührenstrom läuft demnach vom Händler über dessen Bank zur Bank des Kunden. Deswegen ging die Initiative zu dem Gesetz auch von den Einzelhandelsverbänden aus, bei denen das bargeldlose Zahlen jedes Jahr Milliarden-Kosten verursacht.

Eine Beispielrechnung: Wird das Interbanken-Entgelt künftig bei Kreditkarten-Zahlungen in Deutschland von durchschnittlich 1,2 Prozent auf 0,3 Prozent gesenkt, verliert die Kundenbank drei Viertel ihrer Einnahmen. Für einen Einkauf von 100 Euro erhielt sie bisher im Schnitt 1,20 Euro, künftig wären es noch 30 Cent. In der Theorie müsste diese Preissenkung beim Händler ankommen, und dieser könnte seine Produkte billiger verkaufen.

"Kunden profitierten am wenigsten"

Das ist allerdings nur Theorie. "Versuche im Ausland haben gezeigt, dass dies in der Praxis nicht funktioniert", sagt Professor Bott. So senkte Spanien die Kreditkarten-Gebühren per Gesetz. Von 2006 bis 2010 verringerten sich die Einnahmen aus Interbanken-Entgelten um rund 3,3 Milliarden Euro. Als Reaktion auf die Gesetzesänderung passten die Banken ihre Verträge mit Händlern und Privatkunden an. Am Ende reduzierten sich die Kosten für die Händler um 2,7 Milliarden Euro, aber die Privatkunden zahlten über höhere Karten- und Kontopreise fast 2,4 Milliarden mehr. Die in der Theorie erwartete Senkung der Einzelhandelspreise gab es nicht.

Die spanische Studie weist laut Bott zwar einige Besonderheiten auf, vom Prinzip her sei der Fall aber auf andere Länder übertragbar. Auch ein Versuch in Australien habe ein ähnliches Ergebnis zutage gefördert: "Kunden profitierten von der Deckelung der Interbanken-Entgelte im Kartengeschäft am wenigsten", sagt der Professor. Auch wenn die Wettbewerbsbedingungen in Deutschland andere seien, würden die Banken versuchen, die erzwungenen Einnahmenausfälle durch Preiserhöhungen auszugleichen, etwa bei der Kartenausgabe oder bei den Kontomodellen.

"Bevor in prinzipiell funktionierenden privatwirtschaftlichen Systemen Preisobergrenzen eingeführt werden, sollte Klarheit über die zu erwartenden Wirkungen bestehen", sagt Bott. Das Funktionieren des Zahlungsverkehrs sei ein genauso wichtiges Gut wie Straßen oder Telefonverbindungen. "Die EU ist voreilig unterwegs und gefährdet dieses Gut."

© SZ vom 31.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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