Bankrott-Prozess:Extremfall Schlecker

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Der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz beim Schlecker-Prozess. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz berichtet als Zeuge dem Gericht, warum das Drogerie-Imperium zerbrach. Die strafrechtliche Schuldfrage bleibt aber offen.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Arndt Geiwitz hat die Drogeriemarkt-Kette Schlecker abgewickelt, er hat Teile verkauft und am Ende den Rest des Ladens zugesperrt. Dabei kam es zwischendrin auch zum Streit mit der Eigentümer-Familie. Dennoch begrüßen der gefallene Patriarch Anton Schlecker und seine Kinder Lars und Meike den Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz freundlich lächelnd per Handschlag. Im Januar lernten sie sich kennen, nachdem Anton Schlecker Insolvenz angemeldet hatte. Am Montag trafen sie sich im Sitzungssaal 1 des Landgerichts Stuttgart wieder. Dort sitzen die Schleckers auf der Anklagebank, die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Bankrott vor.

Arndt Geiwitz hat schon etliche prominente Pleite-Firmen abgewickelt, etwa das Bau-Unternehmen Walter, den Weltbild-Verlag oder den Druckmaschinenhersteller Manroland. Aber Schlecker, so sagt der Ulmer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Schlecker sei schon ein "Extrem-Fall" gewesen. Der 48-jährige Zeuge hatte wie kein anderer Einblick in die Geschäftsabläufe und Konzernbücher. In seiner Aussage analysierte er die Gründe des Schlecker-Niedergangs. Und er stellte dar, wie viel Geld er am Ende des Insolvenzverfahrens verteilen will. Die Ansprüche der 24 000 ehemaligen Mitarbeiter auf Restlohn-Zahlungen will Geiwitz weitgehend erfüllen - dies hänge allerdings davon ab, ob seine 300-Millionen-Schadenersatzklage gegen Lieferanten wegen eines Preiskartells Erfolg habe. Insgesamt fordern externe Gläubiger 1,2 Milliarden Euro zurück. Davon könnten bestenfalls nur zehn Prozent ausgezahlt werden, sagte Geiwitz. Mehr sei nicht zu holen. Es könne auch sein, dass es "gar keine Quote" gebe.

Was Geiwitz nicht lieferte: Einen Beleg für die strafrechtliche Schuld der Schleckers. Die Staatsanwälte werfen ihnen vor, sie hätten angesichts der absehbaren Pleite Millionen zur Seite geschafft, um sie dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Geiwitz erzählte sowohl belastende als auch entlastende Dinge. Zum Beispiel der Vergleich aus dem November 2012: Zehn Monate nach Insolvenz-Anmeldung unterzeichnete der Insolvenzverwalter mit Schleckers Ehefrau Christa und dessen Kindern Meike und Lars einen vertrag. In diesem verpflichteten sich die Familienmitglieder, zehn Millionen Euro in die Insolvenzmasse zurückzuzahlen. Auslöser dieser Rückzahlungen: Kurz vor dem Gang zum Amtsrichter hatten sich die Kinder je 3,5 Millionen Euro Gewinnausschüttung aus der Logistik-Tochter LDG auf ihre Privatkonten überwiesen. Zudem hatte Anton Schlecker an seine Angehörigen noch viel Geld transferiert: Seiner Frau übertrug er 2009 das Grundstück des Wohnhauses, seinen Enkeln schenkte er 800 000 Euro und seinem Sohn überließ er einen Tennisplatz in Ehingen im Wert von 200 000 Euro.

In der Vergleichs-Vereinbarung betonten die Schleckers zwar, sie zahlten die Beträge "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zurück. Dennoch wirkt der Vertrag wie ein Schuldeingeständnis. Aber Schleckers Verteidiger Norbert Scharf beeilte sich am Montag klarzustellen, der Vergleich habe nur eine "kaufmännische Grundlage". Und keine juristische. Der Richter ließ offen, wie er die Geldtransfers bewertet. Der Prozess läuft bis Oktober, Schlecker muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Es sind aber auch ein Freispruch oder eine Bewährungsstrafe denkbar.

Insolvenzverwalter Geiwitz bestätigte, Schlecker sei bis zum Schluss nicht davon ausgegangen, dass er Insolvenz anmelden müsse. Wenn das stimmt, wäre ein mutwilliges Geld-auf-die-Seite-schaffen eher abwegig. Laut Geiwitz sei es eher "eine Mischung aus Naivität und Beratungsresistenz" beim Chef gewesen, was den Konzern mit seinen 6000 Filialen in die Pleite trieb. Geiwitz: "Der größte Fehler von Herrn Schlecker war, dass er zu lange an seinem Ladenkonzept festgehalten hat." Wettbewerber wie DM und Rossmann hätten die Schlecker-Filialen "massiv" angegriffen, indem sie größere, modernere und billigere Filialen in Laufweite eröffneten. Darauf habe Schlecker falsch reagiert: Anstatt ebenfalls in zeitgemäße Einrichtung zu investieren, versuchte er, über den Preis Kunden anzulocken. Das gelang nicht.

Deshalb musste Geiwitz nach der Insolvenz versuchen, wenigstens Teile des Konzerns zu retten. Er verkaufte einige Auslandstöchter, doch für die deutschen Filialen fand er keinen Investor. Geiwitz war sogar mit einem Scheich und einer New Yorker Bank in Kontakt, aber am weitesten waren die Verhandlungen mit einem osteuropäischen Interessenten; Er wollte die Filialen zu Nahversorgungsläden machen ähnlich den 7-Eleven-Shops in den USA. Doch kurz vor Vertragsunterzeichnung platzte auch dieser Deal. Daraufhin musste Geiwitz die restlichen Filialen zusperren.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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