Bankenkrise: Fehler der SPD:Ein Hase namens Müntefering

Lesezeit: 3 min

Verkehrte Welt: SPD-Chef Müntefering macht sich hasenklein - und redet den staatlichen Einfluss bei der Staatsbeteiligung an der Commerzbank herunter. CSU-Minister Glos ist da anders.

Hans-Jürgen Jakobs

Vielleicht kann er sich nicht mehr erinnern, vielleicht ist es ihm einfach nur unangenehm. Jahrelang hatte seine SPD unter einem "demokratischen Sozialismus" verstanden, dass es Industriepolitik geben soll. Dass Banken und "Schlüsselindustrien" zu verstaatlichen seien.

"Stabilität in die ganze Situation bringen, damit unsere deutsche Wirtschaft auch funktioniert": SPD-Chef Franz Müntefering redet heute ganz anders als früher. (Foto: Foto: dpa)

Nun kommt es im Land zu einer auffälligen Teilverstaatlichung, dem Einstieg des Bundes mit 25 Prozent plus einer Aktie bei der zweitgrößten Privatbank des Landes - und Franz Müntefering macht sich klein, hasenklein: "Das, was jetzt bei der Commerzbank passiert, ist ja keine Teilverstaatlichung", dozierte der SPD-Chef im ZDF: "Der Staat tritt auf Zeit ein, aber er wird sich auch in einem baldigen und vernünftigen Augenblick wieder lösen. Wir werden jedenfalls auf die Geschäfte keinen Einfluss nehmen."

Keinen Einfluss nehmen? Was ist los mit dem Mann, der die schwierigste politische Vereinigung anführen will, die es derzeit in Deutschland gibt? Ist er verwirrt von den düsteren Wahlprognosen für seine Partei?

Es wäre der Rohrkrepierer der deutschen Wirtschaftsgeschichte schlechthin, wenn die öffentliche Hand - wie jetzt bei der Commerzbank - insgesamt mehr als 18 Milliarden Euro aus Steuergeldern in eine Privatbank stecken und sich dann nicht aktiv darum kümmern würde. Dann könnte der Staat, der jetzt die Malaise im Finanz- und Bankenmarkt richten soll, gleich die eigene Bankrotterklärung unterschreiben.

Tatsächlich braucht die Commerzbank ja das viele Geld, die viele "Staatsknete", weil sie sich mit der Übernahme der Dresdner Bank selbst fast übernommen hätte. Es schlummern eben noch viele Risiken bei der früheren Tochter der Allianz, die beim Spekulieren auf den internationalen Märkten wohl allzu risikofreudig war. Sie hat sich vom Renditefieber in der Londoner City rasch anstecken lassen.

Politisch will die Bundesregierung, dass jetzt keine Großbank einknickt, dass eine stabile Struktur erhalten bleibt und sich eine starke Nummer zwei neben den Primus gesellt, der Deutschen Bank. Davon wird selbst Franz Müntefering etwas mitbekommen haben.

Wie sonst ist auch zu erklären, dass der Bund baldmöglichst zwei Staatssekretäre in den Aufsichtsrat der Commerzbank entsenden will? Natürlich muss der neue Großteilhaber des Frankfurter Kreditinstituts genau schauen, was aus den eingesetzten Steuer-Milliarden wird. Damit muss gesteuert werden, was sonst.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum die Abgesandten des Bundes keine Schweiger und Abnicker sein sollten - und warum Wirtschaftsminister Glos ehrlicher daherkommt.

Die Abgesandten des Bundes sollten besser aktive Aufsichtsräte und Kontrolleure sein, und keine Schweiger und Abnicker in dem obersten Bank-Gremium. Immerhin ist der Bund jetzt größter Einzelaktionär der zweitgrößten deutschen Bank.

Wirtschaftsminister Michael Glos von der CSU ist da ehrlicher als sein früherer Kabinettskollege Müntefering. Der vielfach belächelte Politiker erklärt frank und frei, die direkte Beteiligung des Staates an der Commerzbank diene der besseren Versorgung der Wirtschaft mit Krediten. "Mit dem zusätzlichen Kapital kann die Commerzbank ihre Aufgabe besser erfüllen, die Wirtschaft mit Kapital zu versorgen", zitiert ihn das Handelsblatt.

So ist es - und dass ein Konservativer und Marktwirtschaftlicher der Öffentlichkeit diesen Mechanismus erklärt, und nicht ein Vertreter jener Partei, die es - theoretisch jedenfalls - immer gern mit Industriepolitik und Makroökonomie gehalten hat, gehört zu den neuen Anomalien dieser Welt.

Müntefering disqualifiziert sich und seine Partei selbst, wenn er davon spricht, ohne Einfluss bleiben zu wollen. Vielleicht ist er ja im falschen Film. Vielleicht ist seine Partei derzeit auch einfach nur ungeeignet für politische Macht.

Tatsächlich ist es ja so, dass die milliardenschwere Finanzhilfe im Fall Commerzbank kein Verlustgeschäft für den Staat und die Bürger werden darf. Darum muss man sich kümmern. Deshalb muss man Einfluss nehmen.

Der Bund will schließlich eines Tages, wenn das Beben der Krise verschwunden ist, die Bank-Beteiligung wieder gewinnbringend verkaufen. Und bis dahin darf Bankchef Martin Blessing mit dem Kapital eben nicht das Falsche tun.

SPD-Chef Müntefering wird sich solchen Erkenntnissen auf Dauer nicht verschließen können - und damit auch nicht der Einsicht, dass zur neuen Rolle des Staates als großkapitalistische Krisenfeuerwehr auch der Wille zur aktiven Verantwortung gehört. Herumreden reicht nicht. Auf dem Platz ist auf dem Platz, hätte ein formstarker Müntefering womöglich gesagt. Er redet jetzt ganz allgemein davon, dass es darauf ankomme, "Stabilität in die ganze Situation zu bringen, damit unsere deutsche Wirtschaft auch funktioniert".

Das wird, nach dem Stand der Dinge, ohne kluge Politiker nicht möglich sein.

© sueddeutsche.de/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: