Banken 2017:Das nächste Jahr wird entscheidend

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Bankenviertel in Frankfurt am Main: Die Commerzbank versucht, mit neuen Filialen Kunden zu gewinnen. Diese Frage gerät aber zur Nebensache, wenn man die Probleme der Branche betrachtet. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Europas Banken entlassen Mitarbeiter, arbeiten ineffizient oder zahlen Milliardenstrafen - so war das schon in diesem Jahr. 2017 könnte es für die Geldbranche noch viel schlimmer kommen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wie sich eine Bank die Beziehung zu ihren Kunden vorstellt, lässt sich an der neuen Commerzbank-Filiale beobachten, einer Art Mischung aus Selbstbedienungsbäcker und Apple-Laden: Die etwa 50 Quadratmeter große Filiale im Frankfurter Ostend ist auf das Nötigste reduziert - zwei Geldautomaten, ein Informationstresen, ein abgetrennter Raum für kompliziertere Gespräche. Die Wände sind in loftartiger Backsteinoptik gehalten, und alles ist so konzipiert, dass die komplette Filiale binnen weniger Tage ab- und andernorts wieder aufgebaut werden kann.

"City-Filiale" nennt die Commerzbank das. Man könnte auch sagen: "Spar-Filiale".

Das Konzept ist Teil der Filial-Offensive von Deutschlands zweitgrößter Bank, die bis zum Jahr 2020 zwei Millionen Kunden gewinnen will. Privatkundenvorstand Michael Mandel ist der Mann, der das bewältigen soll. "Ich bin überzeugt, dass wir auch in ein paar Jahren noch rund 1000 Filialen haben werden", sagt er. "Wenn unser Konzept aufgeht."

Wie geeint Europa künftig sein wird, ist für die Geldhäuser extrem wichtig

Mandels Bemühungen stehen für den Versuch der deutschen Banken und Sparkassen, den Anschluss an die Zukunft zu halten - in Zeiten, da sich die Bankgeschäfte zunehmend ins Internet oder auf das Smartphone verlagern. Die Frage nach dem richtigen Filialkonzept treibt die Banken schon seit Jahren um. Eine Antwort darauf zu finden, scheint aber drängender denn je: Die Nullzinsen erschweren den Banken das Geldverdienen, Start-ups übernehmen Finanzdienstleistungen. Das aber ist längst nicht alles, womit die Banken 2017 zu kämpfen haben werden.

Seit Jahren schon lautet die Prognose, das kommende Jahr werde ganz sicher das entscheidende für Europas Banken. Selten war das wohl so zutreffend wie dieses Mal. Im neuen Jahr kommen so viele Risikofaktoren wie noch nie zusammen, die Filialfrage ist da fast schon Nebensache: Denn da ist zum einen Italiens Bankenkrise, die sich ausweiten und Geldhäuser in anderen Länder mitreißen könnte. Dann der Brexit, dessen Auswirkungen auf die Konjunktur und damit die Finanzbranche im Euro-Raum sich erst im kommenden Jahr zeigen werden.

Und da ist die große Frage nach Europa: Kämen in Frankreich oder den Niederlanden Populisten an die Macht, würde die Union in eine tiefe Krise geraten. Das hätte nicht nur Folgen für die Realwirtschaft, sondern auch für die Banken. Mühsam erkämpfte Errungenschaften wie die Bankenunion mit gemeinsamer Aufsicht und einem Plan für Abwicklungen im Fall einer Krise, der derzeit wegen Italiens Banken ohnehin infrage steht, wären erledigt. Die Märkte könnten verrücktspielen.

So weit muss es nicht kommen: Auch so ist die Lage so komplex wie in kaum einer anderen Branche. Zur Digitalisierung, der sich auch Autohersteller oder Einzelhändler stellen müssen, kommt im Finanzgewerbe noch die strenge Regulierung hinzu: Mifid 2, Basel 3, MREL, TLAC - dahinter verbergen sich immer neue Regeln, mal für den ordnungsgemäßen Wertpapierhandel, mal für die Eigenkapital- oder Liquiditätsausstattung. Die Regeln sollen die Geldhäuser stabiler machen, nicht alle Institute aber können mithalten. Allein die Verschärfung von Basel 3 zwingt Europas Banken, bei Investoren viele Milliarden zusätzliches Kapital einzusammeln - ein schwieriges Unterfangen.

Während die Wall-Street-Banken längst wieder vor Kraft strotzen, schlagen sich viele Geldhäuser in Europa eher schlecht als recht. In Ländern wie Italien häufen sich Kredite, die nicht bedient werden können, viele Banken vermeiden es jedoch, schwache Unternehmen fallen zu lassen. Zur Schonung ihrer eigenen Bilanz verlängern sie selbst Firmen die Kredite, die Schwierigkeiten haben. Zombiebanken halten somit Zombieunternehmen am Leben: Das verschlechtert die Chancen junger Unternehmen. Und es verhindert den Strukturwandel, der nötig ist, um auf dem Weltmarkt zu bestehen.

Finanzinvestoren hoffen auf den Präsidenten Donald Trump

Auch Deutschlands Banken können sich 2017 nicht zurücklehnen, selbst wenn sie bislang vergleichsweise wenige Probleme mit faulen Krediten haben. Im EU-Ländervergleich sind sie keineswegs der Klassenprimus, wie es Deutschlands starke Wirtschaft vermuten lassen könnte: Nirgends arbeiten Banken weniger effizient. "Die deutschen Banken sind in einer tiefen strukturellen Krise", sagt Walter Sinn, Deutschland-Chef des Beratungsunternehmens Bain. In den kommenden zehn Jahren müssten sie daher wohl weitere 10 000 Bankfilialen schließen und 115 000 Arbeitsplätze streichen. Am deutlichsten zeigt sich die Misere bei der Deutschen Bank. Das Institut hat ein Schreckensjahr hinter sich. Immerhin hat es Vorstandschef John Cryan gerade geschafft, eines der größten Rechtsrisiken abzuräumen, nämlich den Streit mit den USA um gefährliche Hypothekengeschäfte. Die Vergleichssumme von 7,2 Milliarden Euro fiel zwar niedriger aus als befürchtet, wird die Bank aber auf Jahre belasten. Dass sich die Aktie zuletzt erholt hat, sollte daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Institut ein harter Weg bevorsteht. Cryan wird seine Strategie anpassen müssen; das gilt als ausgemacht.

Zuletzt waren auch die Aktien anderer Banken gestiegen. Investoren hoffen nach dem Wahlsieg von Donald Trump, dass er die Finanzbranche laxer regulieren wird. "Die Investoren nehmen die Banken generell anders wahr", sagt Helmut Hipper von Union Investment. Das liege vor allem am "Trump-Faktor", also der Hoffnung auf mehr Wirtschaftswachstum, weniger Regulierung und steigende Zinsen. An der Lage von Europas Banken habe sich aber nicht viel geändert.

Commerzbank-Manager Mandel immerhin ist mit seiner City-Filiale zufrieden. In der ersten Woche sind 350 Besucher gekommen, freut er sich. Man ist genügsam geworden.

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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