Bankbeziehungen:Kenne deine Kunden

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Dimitrov)

Unternehmen müssen oft Hunderte Fragen bei einer Kontoeröffnung beantworten. Bislang gelingt es vielen deutschen Banken nicht, diesen Prozess zu vereinfachen.

Von Meike Schreiber

Es ist zweifelsohne von allergrößter Bedeutung, dass Banken ihre Kunden gut kennen - nicht nur ungefähr, sondern richtig gut. Nur so können die Institute verhindern, dass sie für Geldwäsche oder gar Terrorfinanzierung oder andere Verbrechen missbraucht werden. Und nur so können sie hohe Strafen oder gar die Schließung vermeiden, wenn sie doch dabei erwischt werden. Gerade erst traf es die niederländische ING, die dänische Danske Bank sowie die lettische Krisenbank ABLV. Letztere war unlängst geschlossen worden, nachdem die USA dem Institut vorgeworfen hatten, in Geldwäsche von Kunden aus dem Nachbarland Russland und der Ukraine verwickelt zu sein. Bei der Deutschen Bank hat die Bafin Ende September sogar einen Sonderbeauftragten installiert, der die mangelhafte Geldwäsche-Abwehr verbessern soll.

Für unbescholtene Firmenkunden ist es jedoch zunehmend beschwerlich, die gestiegenen Anforderungen an die Identitätsprüfung ("Know your Customer", kurz KYC) zu erfüllen, vor allem bei verzweigten Firmengeflechten. Eine KYC-Prüfung kann Monate dauern, selbst dann, wenn das Unternehmen bereits eine Geschäftsbeziehung mit der Bank unterhält. Hunderte Fragen müssen Treasurer bei einer Kontoeröffnung beantworten, unter anderem zur Art der Gesellschaft, Tätigkeit, Branche, zur Anzahl der Mitarbeiter, zu den Besitzverhältnissen und zur Firmenstruktur. Früher waren es lediglich rund 30 Fragen.

Je mehr Bankbeziehungen ein Unternehmen hat, desto aufwendiger wird es

Viele Treasury-Chefs wechseln bei chaotischen Know-Your-Customer-Prüfungen sogar die Bank, wie das Fachmagazin Finance unlängst in einer Umfrage unter insgesamt 78 Treasury-Chefs aus dem deutschsprachigen Raum ermittelt hat. Es sind laut Finance aber weniger die vorgeschriebenen KYC-Prüfungen selbst, die Treasurer verärgern, sondern vielmehr die Art, wie die Banken die Prüfungen vornehmen. Ganz besonders stört die Befragten, dass jedes Haus die gesetzlichen Anforderungen anders auslegt: 83 Prozent sahen in der mangelnden Standardisierung der KYC-Abfragen das größte Problem.

Je mehr Bankbeziehungen ein Unternehmen hat, umso aufwendiger wird es zudem, die nötigen Informationen und Dokumente zu recherchieren. Darüber hinaus monieren die Befragten, dass die KYC-Abfragen der Banken häufig unkoordiniert sind. 53 Prozent gaben an, dass die Bankmitarbeiter ihnen nicht mitteilen konnten, welche Informationen sie überhaupt benötigten und wofür. 48 Prozent berichteten, dass Dokumente scheibchenweise eingefordert würden.

Nach wie vor durchleuchtet jede Bank in Deutschland ihre jeweiligen Kunden eigenständig für sich, obwohl die Firmen den Geldhäusern im Grunde jeweils die gleichen Daten liefern müssen. Ein Projekt, diesen Prozess in ein Gemeinschaftsunternehmen auszulagern, liegt seit Monaten auf Eis. Gemeinsam wollten Deutsche Bank und Commerzbank sowie die Landesbanken von Hessen-Thüringen und Baden-Württemberg (Helaba und LBBW) eine Plattform für die sensiblen Daten ihrer deutschen Firmenkunden auf die Beine stellen. Doch inzwischen scheint das Vorhaben gestorben zu sein. Finanzkreisen zufolge haben sich Deutsche Bank und LBBW bereits nach wenigen Monaten aus dem Projekt zurückgezogen. Auch die zwischenzeitliche Überlegung, Swift, die gemeinsame Organisation für Geldtransfer, dafür zu gewinnen, ist offenbar nicht weiter gediehen. Der Vorteil wäre gewesen: Swift sammelt ohnehin alle Daten und gehört bereits den Banken. Was genau die Gründe für das Scheitern sind, ist unklar. Fest steht, dass zum Beispiel skandinavische Banken in diesem Punkt schon weiter sind. Unlängst hatten sich fünf skandinavische Großbanken zusammengetan, um eine gemeinsame Plattform für die Firmenkundendaten aufzubauen. An den Start gehen soll die Sache in der zweiten Jahreshälfte.

Auch in Ländern wie Singapur und Hongkong wollen Geldhäuser gemeinsame Datenbanken für KYC-Dokumente aufbauen. Kaum ein Geldhaus käme noch auf die Idee, sich durch schnellere oder gar oberflächliche Prüfungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Banken zu verschaffen.

Die deutsche Kreditwirtschaft fordert derweil eine Standardisierung der Know-your-Customer-Regeln. Die immer detaillierteren Geldwäschegesetze machten es für die Banken teuer, die KYC-Daten ihrer Kunden zu erheben, heißt es bei der Lobby-Vertretung der deutschen Geldhäuser. Erschwerend komme hinzu, dass sich die Regeln von Land zu Land unterscheiden, was eine Wiederverwertung der Daten erschwert. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) wünscht sich daher, dass die KYC-Prozesse europaweit vereinheitlicht werden. "Derzeit erschweren viele unterschiedliche nationale Regelungen den Prozess", sagt BdB-Geschäftsführer Andreas Krautscheid. Banken und ihre Kunden bräuchten deshalb in Europa neue Regeln, um die Kosten für KYC-Prozesse zu senken und den Prozess effizient zu gestalten. Auch im Interesse des Kunden. Dazu gehöre unter anderem die Möglichkeit, die erhobenen Kundendaten wiederzuverwenden.

Bis es dazu kommt, wird es vermutlich noch dauern. Anknüpfungspunkt für eine EU-weite Lösung wäre die geplante Geldwäsche-Verordnung, welche die bisherigen Richtlinien ersetzen würde. Das dürfte Brüssel jedoch erst nach der Europawahl im Mai 2019 in Angriff nehmen.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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