Bahnchef in der Kritik:Regierung verärgert über Mehdorn

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Bahnchef Mehdorn gerät wegen der Finanzlage des Staatsunternehmens unter Druck. Der Bund ist verärgert über den angekündigten Stopp beim Ausbau des Gleisnetzes. Die Bahngewerkschaft Transnet und Bundestagsabgeordnete warnen Mehdorn davor, die Bilanz für einen Börsengang "schönzurechnen".

Von Ulf Brychcy und Klaus Ott

(SZ vom 22.09.2003) — Die Deutsche Bahn (DB) muss erhebliche finanzielle Probleme bewältigen und gerät wegen des Kurses von Vorstandschef Hartmut Mehdorn zunehmend in Kritik. Das Bundesverkehrsministerium äußert sich offiziell eher moderat über den Bahnchef und seine Finanzpolitik.

Intern sind Verkehrsminister Manfred Stolpe und sein zuständiger Staatssekretär Ralf Nagel (beide SPD) aber verärgert über Mehdorn Kritik, er bekomme vom Bund zu wenig Geld. Stolpe kam am Samstag am Rande eines Treffens mit mehreren ausländischen Eisenbahnchefs erneut mit Mehdorn zusammen.

In einem Schreiben vom 5. September an Nagel aus dem Bundesverkehrsministerium berichtet der DB-Chef von "Ergebnisbelastungen, die der gesamte Konzern im Mittelfristzeitraum auffangen muss". Für die schlechten Zahlen gebe es zahlreiche Gründe. Der Konzern beschäftige derzeit deutlich mehr Mitarbeiter als geplant. Beim Personenverkehr machten sich die schwächere Konjunktur und die Konkurrenz der Billigflieger bemerkbar. Außerdem habe man das Preissystem erneut ändern müssen.

Allerdings führt Mehdorn auch positive Effekte an. So wirke sich die Wiedereinführung der Bahncard 50 günstig aus. "Wir werden mit den Führungskräften noch zahlreiche weitere Maßnahmen entwickeln müssen, um wieder auf die alte Planungslinie zurückzufinden", kündigte er an.

Der Vorstandschef zeigte sich darüber hinaus zuversichtlich, dass die Deutsche Bahn auf einem "erfolgversprechenden Kurs" sei. In dem Brief hatte Mehdorn außerdem einen Stopp beim Ausbau des Schienennetzes angekündigt, weil nicht genügend Geld verfügbar sei, und einen großen Fehler im Finanzplan bis 2007 eingeräumt.

Teure Baustelle Berlin

Im Ministerium stoßen die Kürzungspläne für die wichtige Infrastruktur aus Unverständnis. "Es gibt weiterhin genug Mittel für Investitionen in bestehende Strecken und für wichtige Neubauprojekte", sagte ein Ministeriumssprecher.

Intern heißt es, dass genügend Spielraum für einen Ausbau des Schienennetzes bestünde, wenn die Bahn ihre laufenden, vom Bund bezuschussten Projekte ordentlich abgewickelt hätte. Doch stattdessen sei eine "Investitionsschleppe" von 4,5 Milliarden Euro entstanden.

Die Mehrkosten von 1,8 Milliarden Euro bei mehreren Großprojekten sollten entgegen dem Wunsch der Deutschen Bahn nicht vom Bund übernommen werden, da dies zu Lasten anderer Vorhaben ginge, lautet die Linie des Ministeriums.

So erweist sich etwa der Lehrter Bahnhof in Berlin, der künftige Hauptbahnhof in der Nähe des Kanzleramtes, als Milliardenloch. Die DB-Spitze erwägt, hier im großen Stil und auf eigene Rechnung Büroraum zu schaffen.

Neue Pläne sehen vor, dass nicht nur das angemietete Hauptquartier am Potsdamer Platz an den Hauptbahnhof verlagert werden soll. Der zweite wichtige DB-Sitz in Frankfurt/Main mit rund 1000 Mitarbeitern soll offenbar ebenfalls spätestens 2009 dorthin ziehen.

Am Wochenende attackierte der Vorsitzende der Bahngewerkschaft Transnet und Vizechef des DB-Aufsichtsrates, Norbert Hansen, den Bahnchef. Hansen erklärte, er habe Mehdorn davor gewarnt, dem Aufsichtsrat noch einmal ein "ähnlich fragwürdiges Zahlenwerk" wie den gegenwärtigen Finanzplan bis 2007 vorzulegen.

Mehdorn solle sich hüten, die Bilanz mit Blick auf einen Börsengang schönzurechnen. "Sollte dies jedoch eintreten, muss es personelle Konsequenzen geben".

Aus dem Bundestag kommt ähnliche Kritik. Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich sagte, ein Börsengang der Bahn sei genauso realistisch, wie es der Start der LKW-Maut am 31. August gewesen sei.

Die Bahn könne erst dann Aktien verkaufen, wenn sie finanziell nicht mehr vom Bund abhängig sei. "Das ist in den nächsten fünf bis zehn Jahren völlig illusorisch." Albert Schmidt von den Grünen kritisierte, Mehdorn versuche "auf Biegen und Brechen, die Bilanz börsentauglich zu frisieren".

Der Bahnchef verteidigte seine Börsenpläne und wies die Kritik zurück. Das Staatsunternehmen will nach den hohen Verlusten der vergangenen Jahre von 2004 an hohe Gewinne erzielen und 2005 börsentauglich sein. Bei diesen Vorhaben bleibe es, sagte Mehdorn.

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