Bahn erneuert Schienennetz rund um die Uhr:3000 Baustellen behindern den Bahnverkehr

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Die Bahn steht vor einer Herkulesaufgabe: Sie will 5.500 Kilometer Schienen wechseln und über 2.000 Weichen austauschen. Für den Kunden bedeutet das vor allem eins: längere Fahrzeiten.

Michael Bauchmüller

Die Deutsche Bahn treibt die Renovierung ihres Streckennetzes voran. In ganz Deutschland wird es in den nächsten Monaten deshalb zu vorübergehenden Sperrungen kommen, kündigte die Bahn am Freitag in Berlin an. Andernfalls werde das Unternehmen im Güterverkehr bald an Kapazitätsgrenzen stoßen.

Vor allem auf den Nord-Süd-Achsen seien die Strecken überlastet, sagte Stefan Garber, Infrastruktur-Vorstand der Bahn. Nachdem die Gütertransporte auf der Schiene im vorigen Jahr um elf Prozent gestiegen seien, führen auf einigen Strecken mittlerweile schwerere Züge in höherem Tempo. Entsprechend stärker sei der Verschleiß. Abschnittsweise, etwa zwischen Frankfurt und Fulda, seien die Schienenwege gemessen am Standard zu 135 Prozent ausgelastet.

Verkehrsprognosen gehen davon aus, dass der Güterverkehr bis 2015 weiter zulegen wird - verglichen mit 2004 um 41 Prozent. ,,Das sind Entwicklungen, mit denen wir fertig werden müssen'', sagte Garber. ,,Wir haben inzwischen zu viele Störungen.'' Dem soll das Programm ,,Pro Netz'' abhelfen.In 28 ,,Korridoren'' will die Bahn die gröbsten Engpässe beheben, sechs davon in Bayern. Bundesweit würden dazu 3000 Großbaustellen eingerichtet. 5500 Kilometer Schienen sollen gewechselt und über 2000 Weichen ausgetauscht werden.

Kritik an den Plänen

Anders als bei früheren Reparaturarbeiten sollen die Trupps nicht nur abends und am Wochenende anrücken - ganze Gleisabschnitte werden diesmal gesperrt. ,,Auf diese Weise können wir an den Strecken viel machen'', sagte Garber. So sollen Züge zwischen Hamburg und Hannover demnächst streckenweise nur auf einem Gleis fahren, damit auf 28 Kilometern Länge Gleise ausgewechselt werden können. Künftig sollten solche Bauverzögerungen in Fahrpläne eingearbeitet werden, kündigte die Bahn an.

Mehr Geld will die Bahn allerdings dennoch nicht für die Instandhaltung aufwenden. Wie im Vorjahr sollen auch 2007 gut 1,6 Milliarden Euro dafür bereit stehen. Allerdings würden die Mittel nun auf die Schienenwege konzentriert, hieß es. Dafür erhielten andere Bereiche weniger Geld. Auch werden in Westdeutschland mehr Strecken modernisiert als in Ostdeutschland. Im Westen liege die letzte Erneuerungswelle mittlerweile 30 Jahre zurück.

,,Da sind viele Weichen jetzt einfach fällig'', sagte Garber. Unter Verkehrspolitikern trafen die Pläne auf Kritik: Die Entwicklung sei keineswegs überraschend gekommen, sagte FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich. Die Bahn versuche lediglich, von bisherigen Versäumnissen abzulenken. ,,Da darf der Verkehrsminister nicht weiter tatenlos zusehen'', rügte Friedrich.

Den Termin für die Veröffentlichung ihrer Netz-Pläne dürfte die Bahn bewusst gewählt haben. Erst vor einer Woche war ein Entwurf zu einem Bericht des Bundesrechnungshofs bekannt geworden, in dem die Prüfer der Bahn vorwerfen, ihr Schienennetz jahrelang vernachlässigt zu haben. So sei ein ,,Instandhaltungsrückstau'' von mindestens 1,5 Milliarden Euro aufgelaufen.

Dies hätte das Verkehrsministerium nicht kritiklos hinnehmen dürfen, schrieben die Prüfer.

"Nicht einen Hauch von marode"

Die Sache ist brisant, weil sich Bund und Bahn die Ausgaben für das Schienennetz teilen. Während die Bahn für die Instandhaltung selbst aufkommen muss, beteiligt sich der Bund zu 80 Prozent an Aufwendungen für den Erhalt von Strecken. Mit anderen Worten: Fallen etwa Weichen aus, weil die Bahn zu wenig in die Instandhaltung investiert, zahlt der Bund deren Ersatz mit. So drohten dem Bund ,,vermeidbare Belastungen'', monierte der Rechnungshof. Bahnchef Hartmut Mehdorn wies die Kritik am Freitag zurück.

Das Bahnnetz sei ,,nicht einen Hauch von marode'', sagte er . In einem Brief an das Verkehrsministerium hatte er zuvor geklagt,Veröffentlichung und Inhalt der Untersuchung ließen ,,den Versuch einer Einflussnahme auf das laufende Privatisierungsverfahren vermuten''.

Unions-Verkehrsexperte Dirk Fischer dagegen sieht die Behörden-Vorwürfe durch die Bahn-Offensive bestätigt: ,,Das wertvolle Infrastruktureigentum des Bundes wurde in den vergangenen Jahren nicht sorgsam gepflegt.'' Das Parlament will sich nun eingehend damit beschäftigen. Sowohl der Verkehrs- als auch der Rechnungsprüfungsausschuss haben das Thema auf die Tagesordnung gehoben.

© SZ vom 3.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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