Bahn-Chef Mehdorn:Bekannt und verhasst

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Während Hartmut Mehdorn die Internationalisierung seines Konzerns vorantreibt, entscheidet der Aufsichtsrat über dessen Zukunft.

Nina Bovensiepen und Klaus Ott

Manchmal hat Hartmut Mehdorn noch das Privileg, unerkannt zu reisen. Vor ein paar Tagen, der Chef der Deutschen Bahn AG flog mit einem Tross von Medienleuten nach Russland, fragte die Stewardess den Mann in der ersten Reihe des Flugzeugs, für welche Zeitung er denn schreibe. Für gar keine, antwortete Mehdorn, "ich bin bei der Bahn''.

Solche Situationen erlebt der 64 Jahre alte Manager, der seit siebeneinhalb Jahren dem Bahn-Konzern vorsteht, selten. Nur wenige Vorstandschefs sind so bekannt, verhasst oder umstritten wie Mehdorn.

Das war nicht immer so. Als der gebürtige Berliner die Heidelberger Druckmaschinen AG oder Airbus führte, konnte er halbwegs ungestört arbeiten. Heute kann er ohne Personenschützer nicht aus dem Haus gehen, auf Straße, Schiene oder in der Luft, überall wird er erkannt.

Die Bahn ist ein emotionales Thema

Die Bahn ist für die Deutschen ein emotionales Thema, und ob es um verspätete Züge oder steigende Ticketpreise geht, um verdreckte Bahnsteige oder streikende Lokführer - Mehdorn bekommt die Emotionen täglich zu spüren.

In dieser Woche geht es für den Bahnchef gleich an mehreren Fronten hoch her. Streiks stehen an. Am Dienstag endeten Tarifverhandlungen mit den Bahngewerkschaften Transnet und GDBA für 134.000 Beschäftigte ohne Einigung.

Transnet und GDBA wollen der Bahn sieben Prozent mehr Lohn abringen, was Mehdorn als zu hoch ablehnt. Die Friedenspflicht läuft am Samstag aus. Ärger gibt es auch mit den Lokführern.

Deren Gewerkschaft GDL, die sich mit den anderen Bahngewerkschaften unter anderem über den Börsengang zerstritten hat, verlangt sogar bis zu 31 Prozent mehr Lohn und einen eigenen Tarifvertrag.

Komplizierte Details

Am Mittwoch trifft sich zudem der Aufsichtsrat des Konzerns und entscheidet über Mehdorns Zukunft. Im Frühjahr 2008 wäre sein Kontrakt ausgelaufen. Würde er jetzt nicht verlängert, wäre das ein frühes Signal gegen die ehrgeizigen Börsenpläne des Managers.

Die Privatisierungspläne und ihre komplizierten Details sind weiter höchst umstritten. Doch die Aufseher wollen Mehdorns Vertrag verlängern; zwei oder drei weitere Jahre an der Spitze der Bahn sind vorgesehen. Er ginge dann erst mit 67 oder 68 in Rente, obwohl die Altersgrenze für Vorstände bei 65 Jahren liegt.

Die Bundesregierung und das Kontrollgremium sind der Ansicht, der bullige Manager solle das Staatsunternehmen am besten gleich selbst an die Börse bringen.

"Erklärungsbedürftiger Rentenvertrag"

Im Deutschen Bundestag, wo der manchmal poltrige oder gar ruppige Bahnchef viele Gegenspieler hat, sieht das nicht jeder so. Der CDU-Abgeordnete Dirk Fischer spricht von einem "erklärungsbedürftigen Rentenvertrag'' für Mehdorn, der 20 Milliarden Euro Schulden angehäuft habe.

Derlei Kritik stört den Vorstandschef nicht allzu sehr, solange er die globale Expansion vorantreiben kann. Für fast 750 Millionen Euro will die Bahn drei Güterverkehrsgesellschaften in Großbritannien und Spanien kaufen, die teilweise auch in Frankreich unterwegs sind.

Der Aufsichtsrat wird dem wohl zustimmen. Die Zukäufe machen einmal mehr deutlich, in welcher Rolle Mehdorn seine Bahn und sich selbst sieht. Während deutsche Parlamentarier über Sinn und Verfassungsmäßigkeit eines Börsengangs der Bahn streiten, versteht er sich als Architekt eines neuen Weltkonzerns.

Kürzlich reiste Mehdorn mit dem ICE in Paris ein, wo er mit der französischen Bahnchefin Anne-Marie Idrac eine Kooperation von SNCF und Deutscher Bahn verkündete. Vergangene Woche gab er mit seinem russischen Kollegen Wladimir Jakunin in Moskau die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für Gütertransporte bekannt.

Mit diesem Projekt sei die Landbrücke von Europa nach Asien "keine Zukunftsmelodie mehr, sondern Realität'', schwärmte Mehdorn. In einem Moskauer Restaurant wurde bei italienischen Antipasti, Lamm und Wodka mehrfach auf die Zukunft von deutscher wie russischer Eisenbahn angestoßen. Im Nachtzug nach Sankt Petersburg verteidigte der nimmermüde Manager bei Interviews bis spät in die Nacht Expansions- wie Börsenpläne.

Europas größtes Verkehrsunternehmen

Mehdorn nimmt für sich in Anspruch, die Bahn zu Europas größtem Verkehrsunternehmen ausgebaut zu haben. 30 Milliarden Euro Umsatz bei mehr als zwei Milliarden Euro Gewinn haben knapp 230.000 Mitarbeiter 2006 erwirtschaftet.

Weltweit sei der Konzern in der Luftfracht die Nummer zwei, in der Seefracht auf Platz drei. Auch Kritiker gestehen Mehdorn zu, das Unternehmen profitabler und beweglicher gemacht zu haben. All dies hat der umtriebige Bahnchef stets mit dem Blick auf sein großes Ziel, den Börsengang, vorangetrieben.

Die vielen Bedenken gegen eine Privatisierung teilt er nicht - nach den ehemaligen Staatskonzernen Lufthansa und Bundespost und Telekom sei nun endlich auch die Bahn mit dem Börsengang an der Reihe, glaubt Mehdorn.

Hier wäre die Deutsche Bahn das Schlusslicht - in anderer Hinsicht war das Unternehmen vorne dran. Bereits im Jahr 2000, kurz nach seinem Amtsantritt, sagte der neue Chef der Korruption den Kampf an.

Zahlreiche Strafanzeigen folgten, jetzt holt Mehdorn sogar einen Staatsanwalt ins Haus, der aufräumen soll. In Anspielung auf den Schmiergeld-Skandal bei Siemens hat Mehdorn den Führungskräften geschrieben, solchen "Image-Desastern'' gelte es unbedingt vorzubeugen.

Der gute Ruf einer Firma könne sonst in kürzester Zeit weltweit ramponiert werden. Das will Mehdorn für seinen Konzern natürlich vermeiden: "Kriminelle Machenschaften'' würden bei der Bahn nicht geduldet, mahnt der Chef - wie üblich in aller Deutlichkeit.

© SZ vom 27.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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