Bäckereien:Die nackte Semmel

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Ein Gericht in München weist eine Klage gegen eine Bäckereikette ab, die Brötchen am Sonntag länger als die erlaubten drei Stunden verkauft hat.

Von Michael Kläsgen

Billige Brötchen: Eine Discountbäckerei in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Kann es sein, dass der Verkauf von unbelegten Semmeln am Sonntagnachmittag illegal ist? Das Oberlandesgericht München (OLG) hat die Frage am Donnerstag mit nein beantwortet. Voraussetzung dafür, dass die Bäckerei auch nach der vom jeweiligen Bundesland geregelten Ladenschlusszeit, einfache Semmeln verkaufen darf, ist, dass sie auch ein Café betreibt. Dann darf sie über die in Bayern vorgesehenen drei Stunden hinaus den ganzen Sonntag über unbelegte Semmeln verkaufen. Das Gericht wies damit eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen die Bäckereikette Ratschillers in zweiter Instanz ab.

Die Zentrale hatte versucht, der Bäckerei Ratschillers den Verkauf von Backwaren für mehr als drei Stunden an Sonn- und Feiertagen zu verbieten, um kleine Bäckereien zu schützen. Doch in den sogenannten Bäckereicafés gilt das vom Bund geregelte Gaststättengesetz, das großzügigere Zeiten vorsieht. Voraussetzung dafür, dass dort ganztägig unbelegte Semmeln verkauft werden dürfen, ist wiederum, dass diese als "zubereitete Speisen" für den baldigen Verzehr gelten. Das OLG urteilte, das dem so sei, auch wenn die Brötchen nicht mit einer Scheibe Wurst oder Käse belegt sind. Bei Backwaren wie Semmeln, Brezen oder Brot handle es sich um "verzehrfertige Nahrungsmittel, deren Rohstoffe durch den Backvorgang zum Genuss verändert worden" seien. Es entspreche "der Lebenserfahrung, dass die Gäste eines Cafés mit angeschlossener Bäckerei dort auch unbelegte Brötchen und/oder Brot und sonstige Backwaren bestellen können, etwa im Rahmen eines Frühstücks", hieß es in der Urteilsbegründung.

Weil das OLG grundsätzlichen Klärungsbedarf für ganz Deutschland sieht, ließ es die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu. Ob eine Semmel als "zubereitete Speise" gelten darf, ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt. Verschiedene Gerichte haben das bislang unterschiedlich beurteilt. Über eine weitere Klage wird in Augsburg im Mai entschieden.

Die Zentrale hatte sich ursprünglich zum Ziel gesetzt, die Sache vor dem BGH in Karlsruhe bundesweit ein für alle Mal klären zu lassen. Zwei, drei Jahre werden bis zu einem möglichen Urteil des Bundesgerichtshofs noch vergehen. Solange dürfen sich Semmelkäufer am späten Sonntag zumindest in Bayern noch einbilden können, sich hierbei in einem rechtsfreien Raum zu bewegen.

© SZ vom 15.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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